Kofi Annan:Supermann-Image in Gefahr

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Skandale bei den Vereinten Nationen belasten den Friedensnobelpreisträger und UN-Generalsekretär.

Von Stefan Ulrich

Verehrer nennen Kofi Annan den weltlichen Papst. Wegen seiner Würde, Ruhe und permanenten Sorge um die Menschheit. Viele halten ihn für den besten Generalsekretär, den die Vereinten Nationen je hatten. In diesem Jahr aber hat das Bild des Ghanaers Risse bekommen.

Kofi Annan (Foto: Foto: ddp)

Kritiker werfen ihm vor, er wasche korrupte Günstlinge rein oder habe zumindest das Management nicht im Griff. In der Nacht zum Samstag brach sich der Unmut in New York Bahn. In einer ungewöhnlichen Resolution schimpfte die Angestellten-Gewerkschaft der UN: "Besonders auf den höheren Ebenen der Organisation gibt es einen Mangel an Integrität."

Die Gewerkschaft beobachtet "mit großer Sorge die Entlastung von Führungskräften bei einer Reihe von Vorfällen, die das Vertrauen der Mitarbeiter in die Leitungsebene weiter erodieren lassen".

Annan selbst sprach die Gewerkschaftschefin Rosemarie Waters aber das Vertrauen aus: "Er muss einen sehr schwierigen Job unter sehr schwierigen Umständen ausfüllen, aber wir hoffen weiter, dass er sein Bestes tut."

Auslöser für die Gewerkschaftsschelte ist eine delikate Affäre: Ausgerechnet der oberste Betrugs-Bekämpfer der UN, Dileep Nair, ist in Verdacht der Vetternwirtschaft, Korruption und sexuellen Belästigung geraten.

In einem anonymen Brief wurde dem aus Indien stammenden Singapurianer vorgeworfen, er bevorzuge indische Mitarbeiter und verschaffe Frauen, die sich mit ihm einließen, bessere Jobs. Annan ordnete eine Untersuchung an. Vergangene Woche gab er dann eine Ehrenerklärung für Nair ab. Die Gewerkschaft kritisiert nun die Untersuchung als "ungenügend".

Pikanterweise ist der frühere Banker Nair noch in zwei andere Affären verwickelt, in den Fall Lubbers und in den Öl-für-Lebensmittel-Skandal. Ruud Lubbers, der UN-Flüchtlings-Kommissar, war von einer Mitarbeiterin beschuldigt worden, sie sexuell belästigt zu haben. Er selbst sprach von einer "freundschaftlichen Geste".

Ermittler Nair kam zu dem Ergebnis, die Vorwürfe seien zutreffend. Annan solle "geeignete Maßnahmen" ergreifen. Der Generalsekretär aber nahm seinen Flüchtlings-Kommissar in Schutz.

Als Korruptionsermittler der Vereinten Nationen war Nair auch für die Überprüfung des "Öl-für-Lebensmittel-Programms" zuständig. Nach dem Programm durfte der Irak unter Saddam Hussein Öl exportieren, um Medikamente und Nahrung zu importieren. Dabei flossen Unsummen an Schmiergeldern.

Auch gegen Nair wurden - anonym - Verdächtigungen erhoben. Mittlerweile führt der Ex-US-Notenbankchef Paul Volcker für die UN die Untersuchung des Skandals. Er lehnte es ebenfalls ab, dem amerikanischen Senat Dokumente herauszugeben.

Senatoren beschuldigten Annan deshalb der Geheimniskrämerei. Schon wird befürchtet, die USA könnten Mitgliedsbeiträge zurückhalten. Der Senat des Staats New York verschob indes eine Entscheidung über Bauvorhaben der UN. "Das ist nicht die Zeit, eine Organisation zu belohnen, die total inkompetent oder völlig korrupt ist", sagte Martin Golden, Senator aus Brooklyn.

Diplomaten bei den UN betrachten das Affärenbündel "mit großer Sorge". Und sie fragen sich auch: "Ist Kofi Annan erpressbar durch die Amerikaner geworden?"

© SZ vom 22.11.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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