Koalition:Wunschlisten zum Mindestlohn

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Die Union verlangt von Arbeitsministerin Nahles, ihr Gesetz zu korrigieren - nun sollen die Koalitionsspitzen entscheiden.

Von Robert Roßmann, Berlin

Gerda Hasselfeldt ist keine Frau der lauten Töne. In einer Partei der Zuspitzer fällt so jemand besonders auf. Die Seehofers, Scheuers und Gauweilers mögen poltern, Hasselfeldt verpackt ihre Forderungen lieber in freundliche Worte. Die CSU-Landesgruppenchefin sitzt seit 28 Jahren im Bundestag. Als die Mauer fiel war sie bereits Ministerin. Wer so lange im politischen Geschäft ist weiß, dass der Erfolg nicht unbedingt mit der Schärfe des eigenen Auftritts wächst. Entsprechend moderat tritt Hasselfeldt auch diesmal auf.

Am Sonntagabend treffen sich die Partei- und Fraktionschefs von CDU, CSU und SPD zum Koalitionsausschuss. Wichtigstes Thema ist der Mindestlohn. Seit 1. Januar müssen Arbeitgeber ihren Beschäftigten mindestens 8,50 Euro pro Stunde zahlen. Die Union beklagt schon seit Langem, dass das Gesetz von Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) an vielen Stellen nicht praktikabel sei. CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer wirft Nahles deshalb sogar "Bürokratiewahnsinn und Arbeitsplatzvernichtung" vor. Wer Hasselfeldt nach solchen Äußerungen von Parteifreunden fragt, erhält fast immer die Antwort: "Sie wissen, dass ich meine Worte anders wähle." Und so ist es auch diesmal. "Ich setze auf den Pragmatismus von Frau Nahles", sagt die CSU-Landesgruppenchefin mit Blick auf den Mindestlohn-Streit. Die Arbeitsministerin habe "schon zu erkennen gegeben, dass sie den praktischen Problemen Verständnis entgegenbringt".

Der Koalitionsausschuss trifft sich am Sonntag im Kanzleramt

Bei seinem bisher letzten Treffen Ende Februar hatte der Koalitionsausschuss noch keinen Kompromiss zwischen Union und SPD gefunden. Die Teilnehmer konnten sich lediglich auf einen Zeitplan verständigen. Etwas verschwurbelt formulierten sie: "Beim Mindestlohngesetz wird bis Ostern eine Bestandsaufnahme der in der Praxis bestehenden Probleme erstellt. Auf dieser Grundlage wird sich der Koalitionsausschuss im April auf eine gemeinsame Bewertung und gegebenenfalls erforderliche Änderungen verständigen."

Hasselfeldt hat Nahles deshalb eineinhalb Wochen vor Ostern einen Brief geschrieben, in dem sie alle Änderungswünsche der CSU zusammenfasst. Darin formuliert sie vor allem vier Forderungen: die Senkung der Einkommensgrenze für die Dokumentationspflicht der Arbeitszeiten von bisher 2958 Euro monatlich auf 1900 Euro, die Lockerung der Dokumentationspflicht bei geringfügig Beschäftigten sowie die Streichung der sogenannten Auftraggeberhaftung. Bisher muss ein Unternehmen, das eine andere Firma beauftragt, auch für die Mindestlohnverpflichtung dieser Firma haften. Dies birgt nach Ansicht Hasselfeldts für den Auftraggeber schwer kalkulierbare Risiken. Außerdem verlangt die CSU-Landesgruppenchefin eine deutlichere Abgrenzung von beruflicher Tätigkeit und Ehrenamt, damit etwa Sportvereine mit den Aufwandsentschädigungen für ihre Übungsleiter keine Probleme bekommen.

Auch der Parlamentskreis Mittelstand (PKM), die mit Abstand größte Gruppe in der Unionsfraktion, hat der SPD inzwischen einen Forderungskatalog zukommen lassen. In dem sechsseitigen Papier verlangt der PKM ebenfalls Änderungen bei den Dokumentationspflichten. Dabei verweist er darauf, dass ein Arbeitnehmer "zwölf Stunden am Tag an 29 Tagen im Monat arbeiten" muss, um bei 8,50 Euro Mindestlohn die Grenze von 2958 Euro zu erreichen. Dies zeige, dass die Grenze "nicht verhältnismäßig" sei. Nach Ansicht des PKM werden dadurch Firmen auch für Beschäftigte, die deutlich über dem Mindestlohn verdienen, bürokratische Dokumentationspflichten auferlegt.

Ob es am Sonntag eine Einigung geben wird, ist noch unklar. Hasselfeldt ist allerdings schon jetzt "ganz zuversichtlich", dass der Koalitionsausschuss "einiges erreichen" werde.

© SZ vom 22.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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