Koalition:CSU geht SPD auf die Nerven

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Vor der Klausur der Fraktionsspitzen rügen führende Sozialdemokraten den Koalitionspartner wegen seiner Fixierung auf die Flüchtlingspolitik. Doch Landesgruppenchef Dobrindt provoziert weiter.

Von Stefan Braun, Berlin

Die von der CSU vorangetriebene Debatte über weitere Verschärfungen in der Flüchtlings- und Asylpolitik löst beim Koalitionspartner SPD Unmut und in der CDU zunehmendes Kopfschütteln aus. Unmittelbar vor einem Treffen der Fraktionsspitzen von Union und SPD an diesem Montag forderten führende Sozialdemokraten, weniger Priorität auf das Thema Flüchtlinge zu legen und auf entsprechende Profilierungsversuche zu verzichten. Ungeachtet dessen blieb CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt bei seiner Linie und sprach von einer "aggressiven Anti-Abschiebe-Industrie" in Deutschland.

Deutliche Kritik an solchen Äußerungen kam von SPD-Parteivize Manuela Schwesig. Sie sagte der SZ: "Ich finde es verantwortungslos, dass von Seiten der Union immer neue Debatten in der Flüchtlingspolitik angezettelt werden, die unsere Gesellschaft spalten. Es scheint so, als hätte sie nichts aus den Fehlern der Jahre 2015 und 2016 gelernt." Die Menschen erwarteten, dass die Regierung all ihre Arbeit mache und sich also auch um andere Probleme kümmere, beispielsweise in der Pflege.

In die gleiche Richtung zielt die Kritik des SPD-Gesundheitsexperten Karl Lauterbach. "Mit den Alleingängen, Pseudodebatten und Ego-Interventionen geht es so nicht weiter", beklagte Lauterbach. Der Erfolg der Regierung hänge davon ab, ob man den Koalitionsvertrag konsequent umsetze. Deshalb sollten sich alle Minister jetzt "auf diese anspruchsvolle und anstrengende Aufgabe konzentrieren", sagte Lauterbach der Welt am Sonntag. Dessen ungeachtet griff Landesgruppenchef Dobrindt Anwälte und Hilfsorganisationen an, die Flüchtlingen im Fall einer Ablehnung ihres Asylantrags zur Seite stehen. "Es ist nicht akzeptabel, dass durch eine aggressive Anti-Abschiebe-Industrie bewusst die Bemühungen des Rechtsstaats sabotiert und eine weitere Gefährdung der Öffentlichkeit provoziert wird", sagte Dobrindt der Bild am Sonntag. Für Kürzung oder Entzug von Entwicklungshilfe nicht kooperierender Staaten plädierte Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) und Bayerns Innenminister Joachim Herrmann in der FAS. In der SPD werden die Debatten und die von Dobrindt benutzte Tonlage zunehmend als Gefahr für das Ansehen der Regierung betrachtet. Äußerungen wie die von Dobrindt würden fortwährend den Eindruck erwecken, als gebe es kein anderes Thema mehr. Ähnliche Sorgen treiben die CDU-Führung um, auch wenn sich am Wochenende dazu niemand öffentlich äußern wollte. Wie in der SPD befürchten führende CDU-Politiker, dass "diese Art des Dauer-Feuerwerks" alle anderen Themen dominieren könnte, hieß es in CDU-Kreisen. Die Partei muss dabei auch gegen Kritiker in den eigenen Reihen kämpfen. So beklagte Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff erneut einen Kontrollverlust des Staates.

Eigentlich wollten die Spitzen der Regierungsfraktionen beim Treffen am Montag und Dienstag bewusst andere Schwerpunkte ins Zentrum rücken: Themen wie den Mangel an bezahlbaren Wohnungen, die Probleme bei der Pflege und die Zukunft der künstlichen Intelligenz.

© SZ vom 07.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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