Klaus von Dohnanyi:"Die Wunde Ost muss geschlossen werden"

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Politiker und Experten sind sich einig, dass den neuen Ländern mit Milliarden-Transfers alleine nicht geholfen ist.

Von Arne Boecker

Mit seiner Forderung nach einer Kurskorrektur ist der Arbeitskreis zum Aufbau Ost auf Zustimmung gestoßen. "Wir müssen die Förderung neu justieren", sagte Manfred Stolpe (SPD), Verkehrsminister und Ost-Beauftragter der Bundesregierung.

Der Kreis will staatliche Mittel in den neuen Bundesländern nicht mehr nach dem Gießkannen-Prinzip verteilen, sondern vorrangig die wenigen Wirtschaftszentren unterstützen.

Auf unterschiedliche Resonanz stieß der Vorschlag des Gesprächskreises, spezielle Regelungen für die Ost-Wirtschaft zu erlassen. Die CDU-regierten Ostländer zeigten sich interessiert. Unter anderem brauche man "mehr Gestaltungsfreiheit bei den Lohn- und Sozialsystemen", sagte Sachsens Ministerpräsident Georg Milbradt. Dagegen bremsten die SPD-regierten Ostländer.

Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsident Harald Ringstorff warnte vor einem "Wettlauf um die niedrigsten sozialen Standards". Auch Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck fürchtet das Entstehen einer "Billiglohnregion" im Osten.

Insgesamt flossen zwischen 1991 und 2003 etwa 1250 Milliarden Euro an Investitionen und Fördergeldern in die neuen Bundesländer. Davon stammten etwa 262 Milliarden Euro aus dem Solidarpakt I. Teil II des Pakts läuft im kommenden Jahr an. Bis 2019 erhalten die fünf Ostländer noch einmal 105 Milliarden Euro. Damit sollen sie Infrastruktur-Lücken schließen, beispielsweise im Straßenbau.

"Auf die Dauer nicht zu ertragen"

Trotz aller Transfers ist es nicht gelungen, die Verhältnisse in West und Ost anzugleichen.

Am deutlichsten zeigt sich das bei den Arbeitslosenzahlen: 8,7 Prozent im Westen, 19,2 Prozent im Osten. Angesichts der massenhaften Abwanderung vor allem junger, flexibler Ostdeutscher fürchtet das Kommissions-Mitglied Edgar Most: "Zugespitzt gesagt: Der Osten verdummt, verarmt und vergreist."

Klaus von Dohnanyi, ebenfalls Mitglied des Arbeitskreises, nannte es "auf die Dauer nicht zu ertragen", dass der Westen in jedem Jahr vier Prozent des Sozialprodukts in den Osten transferiert. Die alten Länder drohten "auszubluten, wenn die Wunde Ost nicht geschlossen" werde. Thüringens Ministerpräsident Dieter Althaus (CDU) widersprach: "Die Schwierigkeiten, die wir in Deutschland haben, kann man nicht dem Osten anlasten."

Die Thesen des Gesprächskreises erhöhen den Druck auf Stolpe. Gefragt sei ein "kraftvoller Koordinator", der sich ausschließlich um den Aufbau Ost kümmere, sagte Dohnanyi.

FDP-Generalsekretärin Cornelia Pieper forderte den Rücktritt Stolpes, dem sie "Versagen auf ganzer Linie" attestierte. Dem schloss sich der SPD-Bundestagsabgeordnete Stephan Hilsberg an. Als Brandenburger Ministerpräsident habe Stolpe "sehenden Augen Fördermilliarden in den Sand gesetzt".

Die Entscheidung von Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD), Stolpe mit den Angelegenheiten der Ostländer zu betrauen, sei deshalb grundfalsch gewesen.

© SZ vom 7.4. 2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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