Klaus Ernst über die Linke:"Kein sozialistischer Traditionsverein"

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Der Vize-Chef der Linken, Klaus Ernst, sieht noch etliche Defizite der neuen Partei, die sich als "neues Projekt" präsentieren müsse. Der Gewerkschafter setzt auf die Themen Rente und Mindestlohn und will in den bayerischen Landtag einziehen - mit der Hilfe von Sahra Wagenknecht.

Daniel Brössler

Ein knappes Jahr nach der Fusion von PDS und WASG wollte sich die Linkspartei am Wochenende in Cottbus als geeinte Kraft präsentieren. Klaus Ernst, bayerischer Gewerkschafter, Mitbegründer der WASG und Vizechef der Linkspartei, bezweifelt, dass dies gelungen ist.

Klaus Ernst (Foto: Foto: AP)

SZ: Können Sie zufrieden sein, wie sich Ihre Partei in Cottbus präsentiert hat?

Ernst: Ja und Nein. Ja, weil wir uns als erfolgreiches politisches Projekt präsentieren konnten, das die Realität in diesem Land verändert und weil die anderen Parteien unsere Positionen übernehmen. Nein, weil der innere Zustand der Partei noch nicht den Erfolgen entspricht.

SZ: Was heißt das?

Ernst: Die Einsicht, etwas Neues zu sein, ist noch nicht ausreichend entwickelt. Wir haben ein Problem mit der Akzeptanz unseres gemeinsamen Projektes bei einem Teil unserer Partei.

SZ: Bei dem Teil aus dem Osten?

Ernst: Nein, das Problem besteht beidseitig. Das haben die Ergebnisse der Vorstandswahlen gezeigt, und ich meine nicht nur das von Oskar Lafontaine. Das waren auch bei vielen anderen nicht befriedigende Wahlergebnisse.

SZ: Sie haben zum Beispiel nur 59,2 Prozent der Stimmen erhalten. Sind Gewerkschafter bei den Linken unbeliebt?

Ernst: Es haben nicht alle begriffen, dass eine starke Linke ohne Unterstützung von gewerkschaftlich organisierten Arbeitnehmern, von Vertrauensleuten und Betriebsräten nicht möglich ist. Ein Teil der Mitglieder denkt, dass es immer noch die alte Partei ist und tut sich schwer, sich auf das Neue einzulassen.

SZ: Ist für Ihren Geschmack nicht ein bisschen viel von Marx die Rede gewesen auf dem Parteitag?

Ernst: Das ist dann kein Problem, wenn alle die Einsicht haben, dass es vor allem unsere konkreten Forderungen sind, etwa nach sozialer Gerechtigkeit, die uns Zustimmung bringen. Es bestehen zum Teil noch die alten Strukturen der PDS.

SZ: Deshalb erhielt die Kommunistin Sahra Wagenknecht bei den Vorstandswahlen zum Beispiel zehn Prozentpunkte mehr als Sie?

Ernst: Sie hat ja nicht als Stellvertreterin kandidiert, sondern als Vorstandsmitglied. Ihr Ergebnis zeigt aber den Konsens, dass Sahra Wagenknecht und ihre politische Linie in der Partei ihren Platz hat. Andererseits zeigt sich, dass die eher sozialstaatlich und gewerkschaftlich orientierte Linie nicht ausreichend akzeptiert wird. Es fehlt die Einsicht, dass die Linke nur besteht, wenn auch dieser Teil maßgeblich seine Rolle in der Partei spielt. Ohne das können wir im Westen nicht gewinnen.

SZ: Ist das linke Projekt in Gefahr?

Ernst: Ich sehe das Projekt nicht in Gefahr, aber ich sehe Risiken. Dann jedenfalls, wenn es uns nicht gelingt, uns im Westen als neues Projekt zu präsentieren und nicht als sozialistischer Traditionsverein. Wir müssen die konkreten Sorgen der Bürger in den Mittelpunkt stellen, also Themen wie Rente, Gesundheit, Mindestlohn, Steuergerechtigkeit und soziale Sicherheit. Wenn uns das nicht gelingt, sind wir nur eine Ansammlung von linken Gruppen, aber keine neue Partei, die für neue Mitglieder attraktiv ist.

SZ: Sie hoffen auf den Einzug in den bayerischen Landtag. Laden Sie Sahra Wagenknecht ein, mit Ihnen Wahlkampf zu machen?

Ernst: Selbstverständlich. Sahra Wagenknecht vertritt im Europaparlament absolut richtige Positionen, insbesondere in der Sozialpolitik.

© SZ vom 27.5.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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