Kita-Streik:Erzieherinnen wollen sich nicht mehr abspeisen lassen

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In Kitas bleibt die Küche kalt - für wie lange, ist noch nicht absehbar. (Foto: Georg Wendt/dpa)

Von Freitag an werden Kitas bestreikt. Die Gewerkschaften wissen um die Folgen - sehen aber die Arbeitgeber am Zug.

Von Friederike Zoe Grasshoff, Berlin

Wohin mit den Kindern? Um diese Frage drehen sich seit Wochen viele Gespräche in deutschen Familien, nun müssen sich berufstätige Eltern noch mehr Gedanken darüber machen, wer sich tagsüber um die Kleinen kümmert: An vielen kommunalen Kindertagesstätten wollen die Erzieher von Freitag an bundesweit streiken - und zwar auf unbefristete Zeit. Das kündigten die Gewerkschaften Verdi und GEW an, nachdem sich in Urabstimmungen deutliche Mehrheiten der Beschäftigten für einen Ausstand im Sozial- und Erziehungsdienst ausgesprochen hatten.

Verdi-Chef Frank Bsirske sagte in Berlin, dass der Streik am Freitag mit einem "spürbaren und starken bundesweiten Signal" beginnen werde. "Danach wird er in vielen Einrichtungen zunächst dauerhaft fortgeführt - notfalls auch über Pfingsten. Wir werden Zug um Zug weitere Einrichtungen in den Streik einbeziehen." Und: "Keine Frage, das wird Eltern hart treffen." Gleichzeitig hätten viele Eltern in den vergangenen Wochen durchaus Verständnis dafür gezeigt, dass der Erzieher-Beruf aufgewertet werden müsse. Die Anforderungen an soziale Berufe seien gestiegen - was sich in der Bezahlung jedoch nicht widerspiegele. Insgesamt werden in Deutschland etwa 17 500 Kitas von öffentlichen Trägern unterhalten, diese betreuen insgesamt gut 1,8 Millionen Kinder.

Nach Beginn des Arbeitskampfs am Freitag in zahlreichen Kitas will Verdi noch weitere Einrichtungen in der nächsten und übernächsten Woche bestreiken. Bereits für Montag kündigte Bsirske eine Ausweitung auf einige Großstädte in Nordrhein-Westfalen an. Nicht alle Bundesländer sind also zum selben Zeitpunkt und im gleichen Maße betroffen: Während in Hamburg, Schleswig-Holstein, Baden-Württemberg, Hessen, Niedersachsen, Bremen, Rheinland-Pfalz, Thüringen, Sachsen, Sachsen-Anhalt und im Saarland nach Angaben von Verdi bereits am Freitag gestreikt wird, treten die Erzieher in den zwei bevölkerungsreichsten Bundesländern Bayern und Nordrhein-Westfalen erst am Montag in den Streik, so auch in Mecklenburg-Vorpommern. Wann der Arbeitskampf in Berlin und Brandenburg beginnt, wird der Verdi-Landesbezirk an diesem Donnerstag bekanntgegeben. Berlin wird allerdings kaum betroffen sein, da die Kitas zum größten Teil nicht dem Tarifverbund des öffentlichen Dienstes angehören. Vergleichsweise hohe Auswirkungen wird die Arbeitsniederlegung hingegen in Nordrhein-Westfalen mit sich bringen: Verdi zufolge werden 1000 kommunale Kitas bestreikt, 10 000 Beschäftige werden ihre Arbeit niederlegen.

Eine Überraschung ist dieser Streik nicht. Warnungen hat es genug gegeben

Außer den Beschäftigten in Kitas, Horten und Ganztagsschulen sind auch Sozialarbeiter in Jugendzentren, Erzieher in Heimen sowie Beschäftigte in der Behindertenhilfe zum Streik aufgerufen. Private oder kirchliche Träger sind von dem Ausstand nicht betroffen. Der Streik kam nicht überraschend, sondern mit Ansage: Immer wieder waren Erzieherinnen und Erzieher in den vergangenen Wochen in den Warnstreik getreten. Nach dem Beamtenbund stimmten nun 96 Prozent der Bildungsgewerkschaft GEW und 93,5 Prozent der Verdi-Mitglieder für die unbefristeten Arbeitsniederlegungen. Dies sei "ein klares, eindeutiges Votum", sagte Gewerkschaftschef Bsirske. Die Beschäftigten seien nicht länger bereit, "sich mit schönen Worten abspeisen zu lassen".

Nach fünf Runden hatten die Gewerkschaften die Tarifverhandlungen für die bundesweit 240 000 Erzieher und Sozialarbeiter in kommunalen Einrichtungen für gescheitert erklärt. Die Gewerkschaften seien aber jederzeit bereit, die Gespräche wieder aufzunehmen, sagte Bsirske. Gefordert wird eine höhere Bezahlung von Sozial- und Erziehungsberufen; dabei geht es den Gewerkschaften nicht um prozentuale Lohnerhöhungen, sondern um die Einteilung in eine höhere Entgeltgruppe. Dies würde zu Einkommensverbesserungen von durchschnittlich zehn Prozent führen. Bsirske sprach von Mehrkosten für die Kommunen von einer halben Milliarde Euro im Jahr. Nach anderen Angaben der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) beläuft sich die Forderung für alle betroffenen Gruppen auf 1,2 Milliarden Euro.

Die Arbeitgeber kritisierten die angekündigten Kita-Streiks. Der Tarifkonflikt dürfe nicht auf dem Rücken von Kindern und Eltern ausgetragen werden, warnte die VKA - und forderte die Fortsetzung der Verhandlungen. Bsirske sagte hingegen, dass die Arbeitgeberseite es jetzt in der Hand habe, wie lange der Streik dauere. Sobald ein Angebot auf dem Tisch liege, das eine akzeptable Aufwertung bringe, könne der Arbeitskampf beendet werden.

© SZ vom 07.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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