Kirchentag:"Ein großer Schritt für die Ökumene"

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Mit dem größten gemeinsamen Gottesdienst von Katholiken und Protestanten seit der Reformation ist am Sonntag der erste Ökumenische Kirchentag zu Ende gegangen. Bischöfe sind für eine Wiederholung.

Matthias Drobinski

(SZ vom 2.6.2003) - Mehr als 200000 Christen feierten vor dem Reichstag in Berlin einen farbenfrohen Abschlussgottesdienst, unter anderem mit 5500 Bläsern und 3000 Chorsängern. Die erstmals vom Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) und vom Deutschen Evangelischen Kirchentag gemeinsam getragene fünftägige Veranstaltung unter dem Leitwort "Ihr sollt ein Segen sein" hatte mit fast einer Viertelmillion Dauerteilnehmern wesentlich mehr Gäste als erwartet.

In ihrer gemeinsamen Abschlusspredigt riefen Manfred Kock, der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), und der katholische Bischofskonferenzvorsitzende Kardinal Karl Lehmann die Christen auf, Gewalt und Fanatismus überwinden zu helfen und sorgsam mit den Ressourcen der Erde umzugehen.

"Gegen die Globalisierung des Unrechts"

Sie müssten "gegen die Globalisierung des Unrechts" arbeiten, sagte Kock. Lehmann erklärte, die Christen könnten "ein wahrer Segen für die künftigen Generationen in unserem Land und auf der ganzen Welt sein", wenn sie zum Teilen bereit seien.

Beide Kirchenvertreter bezeichneten den Kirchentag als großen Erfolg. Das "gelungene Miteinander" habe gezeigt: "Der Schmerz über das, was noch aussteht, wird weit überboten von der Freude über das, was uns verbindet", sagte Präses Kock.

Die vom Kirchentag ursprünglich angestrebte Gastfreundschaft bei Eucharistie und Abendmahl war am Nein der katholischen Seite gescheitert; lediglich die "Initiative Kirche von unten" und die Kirchenvolksbewegung "Wir sind Kirche" hatten offen die gegenseitigen Gastfreundschaft gewährt.

Auch die Kirchentagspräsidenten Elisabeth Raiser (evangelisch) und Hans Joachim Meyer (katholisch) bezeichneten den Kirchentag als "großen Schritt auf dem Weg der christlichen Ökumene".

Inzwischen mehren sich die Forderungen, 2008 den nächsten Ökumenischen Kirchentag zu veranstalten - bis dahin sind die Orte für getrennte Kirchen- und Katholikentage bereits ausgewählt, unter anderem der Katholikentag 2004 in Ulm und der Evangelische Kirchentag 2005 in Hannover.

Zu den Befürwortern gehören auch die in Berlin gastgebenden Bischöfe Wolfgang Huber (evangelisch) und Kardinal Georg Sterzinsky. Beim Abschlussgottesdienst lud Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit die Kirchen ein: "Berlin ist bereit für 2008." Die katholische Zeitschrift Publik-Forum hat nach eigenen Angaben zahlreiche Unterschriften für einen zweiten Ökumenischen Kirchentag gesammelt.

Geistig-kulturelle Auseinandersetzung mit dem Islam

Am Samstagabend endete der inhaltliche Teil des Ökumenischen Kirchentages, der mit 3200 Veranstaltungen so umfangreich war wie kein Kirchentag zuvor. Unter anderem verteidigte Bundesinnenminister Otto Schily seine Sicherheitsgesetze als Mittel im Kampf gegen den islamistischen Terrorismus, der auf einem "wahnhaften Weltbild" basiere.

Wichtig sei allerdings auch die "geistig-kulturelle Auseinandersetzung mit dem Islam". Der 1979 von Papst Johannes Paul II. gemaßregelte katholische Theologe Hans Küng kritisierte die Ängstlichkeit und die Unbeweglichkeit der Kirchen: Zwischen dem, was "Jesus erkämpfte und erlitt", und den Strukturen der Kirchen sei die Kluft "unerträglich groß geworden". Jesus würde heute im Petersdom und im Weißen Haus als Störenfried betrachtet, mutmaßte Küng; und Jesus wäre auch über den Abendmahlsstreit auf dem Kirchentag bestürzt.

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