Kirche, Papst und Pius-Gate:Mit Freimut aus der Krise

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Skandale dienen der Wahrheitsfindung: Warum deutsche Bischöfe den Papst wegen dessen Annäherung an die Pius-Brüder kritisieren sollten.

Matthias Drobinski

Darf ein katholischer Bischof den Papst kritisieren? Die in Hamburg versammelten Bischöfe sind uneins darüber, ob und wie deutlich sie die furchtbaren Fehler ansprechen sollen, die im Fall der päpstlichen Milde gegenüber den PiusBrüdern geschehen sind.

(Foto: Foto: ddp)

Dass die Aufhebung der Exkommunikation mehr war als nur eine Panne, das sagt hier offen ohnehin keiner. Dabei müsste das offene Wort aus Verbundenheit zur Kirche heraus geradezu Pflicht eines Bischofs sein.

Der faire Streit gehört zur kirchlichen Tradition, seit auf dem ersten Apostelkonzil Paulus dem Petrus widerstand - und sich durchsetzte.

Die deutschen Bischöfe wollen einen Brief an die Katholiken im Land schreiben. Das ist gut, denn die Irritation der Gläubigen ist groß. Das letzte Mal schrieb eine Versammlung vor mehr als 40 Jahren einen solchen Pastoralbrief.

Das war 1968, als Paul VI. seine "Pillen-Enzyklika" Humanae Vitae veröffentlichte und die in Königstein versammelten Bischöfe betonten, die letzte Instanz in der Verhütungsfrage sei das Gewissen des Christen.

Konservative Katholiken, bis hinauf zu Papst Benedikt XVI., halten diese Erklärung bis heute für einen Treuebruch gegenüber dem Lehramt, in Deutschland aber half die "Königsteiner Erklärung", dass viele Katholiken sich nicht ihrer Kirche entfremdeten.

Je stärker eine Institution auf eine Person hin ausgerichtet ist, desto eher wird Kritik an dieser als böswillig gewertet, wie konstruktiv und brüderlich sie auch formuliert sein mag.

Darin liegt die Gefahr eines solchen Schreibens. Unangenehm werden könnte dies vor allem für Erzbischof Robert Zollitsch, den Konferenz-Vorsitzenden, der nächste Woche nach Rom fliegt.

Ein nur allgemein gehaltener Brief aber, der alle tiefergehenden Probleme verschweigt und erklärt, dass alle irgendwie gegen Antisemitismus und fürs Zweite Vatikanum sind, würde alle enttäuschen, die nun zu Recht auf ein klares Wort der Bischöfe warten.

Es wird nur freimütige Offenheit aus der Krise führen: Ja, es sind Fehler geschehen. Ja, die katholische Kirche muss die Religionsfreiheit verteidigen, den ökumenischen und interreligiösen Dialog führen; sie kann ihre Öffnung zur Welt nicht zu kleiner Münze an einen sektiererisch verstandenen Traditionsbegriff verkaufen. Das wird Ärger geben.

Das eröffnet aber auch Möglichkeiten. Lange nicht mehr haben Katholiken und Nichtkatholiken so breit über ein Konzil diskutiert, das nun schon 40 Jahre her ist und dessen Beschlüsse in Vergessenheit zu geraten drohten.

Lange nicht mehr haben Juden und Christen so ernsthaft über die antijüdischen Traditionen in den Kirchen geredet.

Und selten war so klar wie jetzt, dass das, was die Pius-Brüder als einzig wahren Glauben propagieren, keinen Platz in der katholischen Kirche haben darf, dass der wahre Fehler des Papstes war, hier Zweifel gelassen zu haben.

Skandale dienen der Wahrheitsfindung - auch das könnte eine Lehre aus dem vatikanischen Pius-Gate sein.

© SZ vom 5. März 2009/odg - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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