Kinder auf US-Militärstützpunkt:Rotes Kreuz kritisiert Kinderhaft in Guantanamo

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Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) hat die USA heftig dafür kritisiert, dass sie auch Kinder auf dem Marinestützpunkt Guantanamo auf Kuba gefangen halten. "Wir sind sehr besorgt", sagte ein IKRK-Sprecher der Süddeutschen Zeitung.

(SZ vom 28.11.2003) — Der Generaldirektor des Komitees des Internationalen Roten Kreuzes (IKRK), Angelo Gnädinger, sagte in Kopenhagen, das Rote Kreuz versuche in Gesprächen mit den USA eine Lösung für die Kinder zu finden. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung (SZ) dringt der Kommandeur von Guantanamo bereits seit Monaten in Washington darauf, Jugendliche frei zu lassen - bisher ohne Erfolg.

"Wir hoffen, dass dieses Problem mit den Kindern schnell gelöst wird", sagte Gnädinger. Zugleich kritisierte er es als "unakzeptabel", dass die Gefangenen in dem Lager auf Kuba in einem "rechtlichen Vakuum" gehalten würden. "Ihr Schicksal muss so rasch wie möglich geklärt werden. Es darf keinen Zweifel über ihre Zukunft und ihr rechtliches Schicksal geben", erklärte der IKRK-Generaldirektor.

Die USA halten auf ihrem Stützpunkt Guantanamo etwa 660 Menschen aus 42 Staaten gefangen. Den Häftlingen wird vorgeworfen, Anhänger der afghanischen Taliban oder Terroristen zu sein. In dem Lager soll sich etwa ein Dutzend Jugendlicher unter 18Jahren befinden, darunter 13-, 14- und 15-Jährige. Genaue Altersangaben sind schwierig, weil viele Betroffene ihren eigenen Geburtstag nicht kennen.

Nach Angaben von IKRK-Sprecher Florian Westphal haben die USA nach Intervention des Roten Kreuzes Maßnahmen ergriffen, "um einige dieser Jugendlichen besser zu schützen". Sie würden getrennt von den Erwachsenen festgehalten. Dies reiche aber nicht aus. So sei es äußerst bedenklich, dass die Kinder keinen direkten Kontakt mit ihren Familien hätten.

Im Niemandsland gefangen

Die offene Kritik des Roten Kreuzes an der Bush-Regierung ist ungewöhnlich. Normalerweise versucht die Organisation, in stiller Diplomatie das humanitäre Völkerrecht durchzusetzen. Offenbar ist sie damit im Fall Guantanamo aber nicht weiter gekommen. So fordert das IKRK seit langem, dass die Häftlinge dort als Kriegsgefangene anerkannt werden. Washington bezeichnet sie dagegen nach wie vor als "illegale Kombattanten" und hält sie in einem rechtlichen Niemandsland fest, ohne Kontakt zu Anwälten oder Kontrolle durch Richter.

Der Kommandant von Guantanamo, General Geoffrey D. Miller, sagte kürzlich, drei Jugendliche zwischen 13 und 15 Jahren würden bald aus dem Lager weggebracht werden. In einem am Donnerstag veröffentlichten Interview erklärte er jedoch, die Entlassung sei auf höherer Ebene aufgehalten worden. Wie die SZ aus Diplomatenkreisen erfuhr, bemüht sich Miller seit August in Washington darum, die Freilassung einiger der jungen Gefangenen zu erreichen.

"Da muss man sich fragen lassen, wie ernst diese Angelegenheit in der Bush-Regierung genommen wird", heißt es. Vor Miller hatte sich bereits US-Außenminister Colin Powell bei Verteidigungsminister Donald Rumsfeld beschwert, dass auf Guantanamo Jugendliche festgesetzt würden. Auch von anderer Seite als dem Roten Kreuz wächst die Kritik am Verhalten der US-Regierung.

So spricht Lord Johan Steyn, einer der höchsten britischen Richter, von einem "monströsen Verstoß gegen das Rechtswesen" und von einem "ungeheuerlichen Versagen der Justiz". Die Gefangenen würden auf Kuba interniert, um sie "jenseits des Schutzes aller Gerichte festzuhalten, der Gnade der Sieger überlassen". Die frühere amerikanische Außenministerin Madeleine Albright forderte in der britischen Zeitung Guardian vom Donnerstag, die Bush-Regierung müsse die Gefangenen entweder freilassen oder strafrechtlich belangen.

Washington kritisiere einerseits Saudi-Arabien, weil es Verdächtige ohne Anklage festhalte. Die USA aber täten seit fast zwei Jahren dasselbe in Guantanamo. Dieses Beispiel "hat wahrscheinlich mehr neue Terroristen geschaffen, als (in Guantanamo) gefangen gehalten werden".

Derweil einigte sich die US-Regierung mit Australien darauf, australischen Bürgern in Guantanamo bei späteren Strafverfahren Mindestrechte einzuräumen. Laut dem US-Außenministerium werden "vollständige und faire Prozesse" garantiert. Die Verdächtigen sollen die Aussage verweigern dürfen. Zudem will Washington auf die Todesstrafe verzichten. In Guantanamo wurde bisher auch Murat Kurnaz aus Bremen festgehalten. Er könnte nun mit einer kleinen Gruppe von Häftlingen freikommen oder bereits frei sein.

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