Kenia:Vorboten eines neuen Sturms

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Kaum stocken in Kenia die Gespräche über ein gemeinsames Kabinett, flammen wieder gewaltsame Proteste auf.

Arne Perras

Vor sechs Wochen haben sich Regierung und Opposition in Kenia auf eine Teilung der Macht geeinigt. Eine große Koalition sollte die blutige Krise in dem ostafrikanischen Land beenden. Doch noch immer hat Kenia kein neues Kabinett. Die mühsamen Verhandlungen brachen am Dienstag zusammen, und nun baut sich ein gefährliches Vakuum in Nairobi auf, das den Staat in neue Gewalt stürzen kann. Westliche Diplomaten sind äußerst besorgt. Anfang des Jahres sind bei den Unruhen um die zweifelhaften Wahlen mehr als 1000 Menschen gestorben, Hunderttausende mussten fliehen und verloren ihr Zuhause.

Anhänger der Opposition stecken am 8. April 2008 in Nairobis Slum Kibera Barrikaden in Brand. Die Polizei setzte Tränengas ein. (Foto: Foto: dpa)

Die Vorboten eines neuen Sturms zeigen sich schon. In Nairobis größtem Slum Kibera rissen aufgebrachte Jugendliche Gleise der Eisenbahnlinie nach Uganda aus dem Boden. Auch im Westen des Landes, wo Anfang des Jahres die Gewalt am stärksten tobte, flammten erneut Proteste auf. Und in Nairobi schieben sich die Widersacher die Schuld am Zusammenbruch der Verhandlungen gegenseitig zu. "Was immer noch fehlt, ist ein Grundvertrauen zwischen beiden Seiten", sagte ein Diplomat in Nairobi.

Raila Odinga, Führer des "Orange Democratic Movements" (ODM) soll nach dem Friedenspakt Premier werden, Kibaki Präsident bleiben. Doch offenbar können sich beide Lager über die genauen Zuständigkeiten nicht einigen. Zudem gibt es Streit, wie und von wem die Ressorts in der geplanten großen Koalition besetzt werden sollen. Kibaki müsste wohl, um einen Kompromiss zu erreichen, einige seiner engsten Getreuen enttäuschen und aus der Regierungsmannschaft nehmen, was bisher nicht geschehen ist. Odinga wirft Kibakis Partei PNU vor, eine Machtteilung gar nicht zu wollen, was der Präsident heftig bestreitet.

Europa und die USA versuchen nun, den stockenden Prozess wieder in Gang zu setzen, doch bislang ohne Erfolg. US-Außenministerin Condoleezza Rice telefonierte mit Kibaki und mit Odinga; beide müssten "unverzüglich" eine Koalitionsregierung bilden, ließ Rice nach den Gesprächen erklären. Und der frühere UN-Generalsekretär Kofi Annan, der im Februar vermittelt hatte, erklärte: "Ich bitte die beiden um ein Geschenk - bringt ein Kabinett zustande."

Es gibt keine Alternative

In Westkenia halten die meisten Menschen noch still und warten auf die neue Regierung, in der ihr Favorit Odinga eine maßgebliche Rolle spielen soll. Doch wenn dieses Kabinett nicht bald zustande kommt, könnte die Lage schnell eskalieren, denn die gewaltbereiten Gangs, die das Land Anfang des Jahres heimsuchten, ließen sich von politischen Scharfmachern jederzeit mobilisieren.

Im Grunde haben Kibaki und Odinga gar keine andere Wahl, als sich zusammenzuraufen, wollen sie Kenia vor weiterem Unheil bewahren. Wenn die von Annan beförderte Lösung einer Koalitionsregierung endgültig scheitern sollte, fürchten Diplomaten noch größere Probleme als zuvor. Denn es gibt gar keine Alternative zu diesem Plan - außer vielleicht Neuwahlen. Doch das wäre ein sehr riskantes Spiel.

© SZ vom 10.4.2008/ihe - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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