Kaukasus-Konflikt:Reden statt strafen

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Die Europäer sind empört über das Russlands Vorgehen im Kaukasus. Sanktionen gegen den Kreml wollen sie trotzdem nicht verhängen.

Cerstin Gammelin und Frank Nienhuysen

Die Europäische Union will auf Sanktionen gegen Russland verzichten. "Die Stunde der Sanktionen ist nicht gekommen", hieß es am Freitag aus dem Elysée-Palast in Paris. Die Stimmung unter den 27 nationalen Botschaftern, die sich am Donnerstagabend trafen, um den für Montag geplanten EU-Sondergipfel der Staats- und Regierunsgchefs vorzubereiten, sei "konstruktiv" gewesen, berichtete ein Verhandlungsteilnehmer. Die überwältigende Mehrheit der Mitgliedstaaten habe darin übereingestimmt, dass "Strafmaßnahmen nicht der richtige Weg" seien, um die Kaukasus-Krise zu bewältigen.

Vorbereitung für längeren Aufenthalt: Russen bauen in der südossetischen Stadt Zchinwali ein Militärcamp auf. (Foto: Foto: Reuters)

Kein Land der EU erwäge, die Kontakte mit Russland einzufrieren, hieß es. Um den Konflikt zu bewältigen, solle vielmehr "miteinander geredet" werden, um eine "diplomatische Lösung" zu finden. Der für November geplante EU-Russland-Gipfel sei ebenso wenig in Frage gestellt worden wie die Verhandlungen für das neue EU-Russland-Partnerschaftsabkommen.

Trotz des geplanten Verzichts auf Sanktionen verurteilen die Mitgliedstaaten Russlands Vorgehen scharf. Man sei sich einig gewesen, dass die Anerkennung der abtrünnigen Republiken Südossetien und Abchasien durch Russland nicht hinnehmbar sei, hieß es aus Verhandlungskreisen. Russland solle aufgefordert werden, den von der französischen EU-Ratspräsidentschaft vermittelten Sechs-Punkte-Friedensplan unverzüglich umzusetzen. Dieser sieht vor, dass Russland seine Soldaten aus georgischem Kernland zurückzieht.

Der deutsche Regierungssprecher Ulrich Wilhelm kritisierte am Freitag, Russland habe in Georgien weiterhin Checkpunkte und sei in der Hafenstadt Poti präsent. Die Bundesregierung wolle sowohl die Einhaltung des Plans durchsetzen als auch eine intensive Wirtschaftskooperation mit Russland beibehalten, sagte Wilhelm.

Die Diplomaten in Brüssel bestätigten außerdem den Willen der EU, Georgien sowohl humanitär als auch beim Wiederaufbau des Landes zu helfen. Zudem sollen die Ukraine und Moldawien enger an die EU gebunden werden. Konkrete Maßnahmen dazu könnten am 9. September auf dem EU-Ukraine-Gipfel besprochen werden. Verhandlungsteilnehmer schlossen auch nicht aus, dass es auf Betreiben einzelner Mitgliedsstaaten kleinere Einschränkungen im Umgang mit Russland geben könnte. Beispielsweise könnten die Verhandlungen über leichtere Visa-Bestimmungen verzögert werden.

Öllieferung geht weiter

Die russische Regierung widersprach einem Bericht der britischen Zeitung Daily Telegraph, wonach die Öllieferung in den Westen gedrosselt werden solle, falls die EU Sanktionen beschließe. Energieminister Sergej Schmatko sagte, Russland tue alles, um eine zuverlässige Energieversorgung zu garantieren. Der russische Ölkonzern Lukoil bestritt, Anweisungen der Regierung erhalten zu haben, den Lieferumfang für die Pipeline Druschba - und damit auch für Deutschland - unter Umständen von nächster Woche an zu verringern.

Die südossetische Führung teilte am Freitag mit, Russland wolle Südossetien "in einigen Jahren oder früher" zum Bestandteil Russlands machen. Kremlchef Dmitrij Medwedjew und der selbsternannte südossetische Präsident Eduard Kokoity hätten Anfang dieser Woche über dieses Thema gesprochen, sagte der stellvertretende südossetische Parlamentspräsident Snaur Gassijew. Nach russischen Medienberichten boten sowohl Südossetien als auch Abchasien Moskau an, auf ihren Territorien insgesamt drei Militärstützpunkte einzurichten. Entsprechende Verträge sollen am Dienstag unterzeichnet werden, berichtete die Nachrichtenagentur Interfax.

Auf einer Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrats zur Kaukasus-Krise lieferten sich die USA, Frankreich und Großbritannien einen heftigen Wortstreit mit Russland. Frankreichs UN-Botschafter Jean Pierre Lacroix warf Moskau vor, mit der Anerkennung Südossetiens und Abchasiens gegen die UN-Charta und mehrere Beschlüsse zu Georgien verstoßen zu haben.

Russlands UN-Botschafter Witalij Tschurkin beschuldigte die USA und ihre Verbündeten einer "Doppelmoral". Wer - wie im Irak, in Afghanistan oder auf dem Balkan - selbst Gewalt anwende, könne dies nicht Russland vorwerfen. Die USA wiesen derweil den von Russlands Premier Wladimir Putin geäußerten Verdacht empört zurück, "jemand in den USA" habe den Konflikt mit Georgien absichtlich erzeugt, um "einem der Kandidaten im Kampf um das Amt des US-Präsidenten einen Vorteil zu verschaffen".

© SZ vom 30.08.2008/cag - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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