Kaukasus-Konflikt:Furcht vor russischer Aggression

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Der Westen ist besorgt - und warnt Moskau vor dem Griff nach der Krim.

Daniel Brössler und Stefan Braun

Nach dem Georgien-Krieg fürchtet der Westen eine Aggression Russlands gegen die Ukraine. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) warnte vor einer "Krise der gesamten Schwarzmeerregion". Sein französischer Kollege und derzeitiger EU-Ratspräsident Bernard Kouchner sagte, nach der Anerkennung Südossetiens und Abchasiens könne Russland nun "andere Ziele" im Blick haben.

Klare Worte Richtung Russland: Bernard Kouchner (Foto: Foto: dpa)

Russland habe sich "außerhalb des internationalen Rechts" gestellt, kritisierte Kouchner am Mittwoch. Es sei daher möglich, dass Russland nun auch "die Krim, die Ukraine, Moldawien" ins Visier nehme. In einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung warnte auch Steinmeier vor einer solchen Entwicklung. "Wir müssen alles tun, dass die Krise im südlichen Kaukasus nicht zu einer Krise der gesamten Schwarzmeerregion wird", sagte er.

Er könne "nur hoffen, dass die letzten Tage allen eine Lehre sind. Wenn es nicht gelingt, die Eigendynamik von Konflikten zu brechen, geraten sie außer Kontrolle." EU-Erweiterungskommissar Olli Rehn forderte eine klare Beitrittsperspektive für die Ukraine. Sie könne sonst "das nächste Ziel" für politischen Druck Russlands werden.

Aufmerksam verfolgt die Bundesregierung laut Steinmeier den Streit um die in Sewastopol auf der Krim stationierte russische Schwarzmeerflotte. Die 1954 an die ukrainische Sowjetrepublik angegliederte Krim wird mehrheitlich von Russen bewohnt. Der ukrainische Präsident Viktor Juschtschenko brachte am Mittwoch eine Erhöhung der Pacht für den Stützpunkt ins Gespräch, die unter dem Marktpreis liege. Russland lehnte das ab.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) telefonierte am Morgen mit dem russischen Präsidenten Dmitrij Medwedjew. "Ich habe deutlich gemacht, dass ich erwartet hätte, dass man in den Gremien OSZE oder UN-Sicherheitsrat über die Frage spricht, bevor die einseitige Anerkennung erfolgt", sagte sie danach. Es gebe viele Resolutionen des UN-Sicherheitsrats, in denen die territoriale Einheit Georgiens betont worden sei, an denen Russland mitgearbeitet habe. Daher halte sie die Anerkennung der Unabhängigkeit der beiden von Georgien abtrünnigen Gebiete für "sehr bedauerlich".

Im Kabinett und in der Runde der Unions-Minister zeigte sich Merkel nach Darstellung von Teilnehmern verärgert über das Telefonat. Medwedjew habe Verständnis für die Position der deutschen Regierung gezeigt und gesagt, es tue ihm leid, was geschehen sei.

Die Entwicklung habe ihm aber keine andere Möglichkeit gelassen. Teilnehmer berichteten, die Kanzlerin habe gesagt, sie möge Russland, aber sie kenne auch die Tricks, mit denen in Moskau gearbeitet werde. Die Kunst bestehe nun darin, den Schritt Moskaus klar zu verurteilen, aber den Dialog nicht abzubrechen.

Außenminister Steinmeier forderte Russland auf, Beweise für seine Vorwürfe gegen Georgien vorzulegen und eine internationale Untersuchung zuzulassen. Russland behaupte, es seien Gräueltaten an der südossetischen Bevölkerung verübt worden. "Ob und in welchem Umfang das der Fall ist, müsste von Südossetien oder Russland dokumentiert werden", forderte Steinmeier.

Die russische Führung rief er auf, der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) die Möglichkeit zu einer Untersuchung einzuräumen. Der Außenminister warnte zugleich vor aggressiver Rhetorik. "Ich bin entsetzt über diejenigen im Westen und in Russland, die sich die zynischen Gewissheiten des Kalten Krieges zurückzuwünschen scheinen", sagte er.

© SZ vom 28.08.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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