Katholische Kirche und China:So nah wie nie zuvor

Lesezeit: 5 min

Gläubige nehmen bei Shanghai an einem Weihnachts-Umzug teil. (Foto: Aly Song/Reuters)

Jahrzehntelang waren die Beziehungen Chinas zum Vatikan angespannt. Das offizielle Oberhaupt der Katholiken im Land ist Staatspräsident Xinping, nicht der Papst. Doch Franziskus' Diplomatie zeigt erste Erfolge.

Von Kai Strittmatter, Peking

Der Papst betet für China, jeden Morgen, vor einem Bildnis der Heiligen Mutter in seiner privaten Kapelle. Für all die Schäfchen, denen er nicht der Hirte sein kann, weil die Kommunistische Partei (KP) da seit mehr als sechs Jahrzehnten dazwischen steht und die Herde lieber selbst hütet. Franziskus verriet die Sache mit dem Morgengebet im Februar. Seither hat sich einiges getan. Franziskus findet ein freundliches Wort nach dem anderen für Chinas Partei- und Staatschef Xi Jinping. Er preist die "großartige" chinesische Nation. Er meidet, anders als seine Vorgänger, jedes Treffen mit dem Dalai Lama, der als geistiges Oberhaupt der Tibeter ein rotes Tuch für China ist.

Millionen Gläubige leben ihren Glauben in einer "Untergrundkirche"

Vor allem aber: Die Unterhändler des Papstes arbeiten seit vielen Monaten an einem womöglich historischen Kompromiss mit Peking. Man will sich erstmals über die Auswahl der Bischöfe einigen. Seit die Verhandlungen enthüllt wurden im Sommer hoffen die einen und bangen die anderen: Wird es der ersehnte Durchbruch, der die katholische Kirche in China endlich wieder eint und dem Papst Zugang zu den Gläubigen im größten Volk der Welt gewährt? Oder aber kommt es, wie die Kritiker befürchten, zu einem Ausverkauf katholischer Werte, der die Kirche erst recht spaltet? Gerade in Hongkong, dem einzigen Flecken volksrepublikanischen Territoriums, in dem es Meinungs- und Religionsfreiheit noch wirklich gibt, stehen sich zwei Kirchenmänner gegenüber, die die Fronten symbolisieren. Auf der einen Seite ist das Kardinal John Tong, der amtierende Bischof der Stadt, der den Dialog beschwört - auf der anderen Seite sein Vorgänger, der 84-jährige, in Shanghai geborene Kardinal Joseph Zen, der gute Kontakte zu Chinas Untergrundkirche hat, und der "Unterwerfung" und "Demütigung" befürchtet.

Wenn man den Äußerungen von Kirchenmännern glauben darf, dann waren sich der Vatikan und Peking jedenfalls noch nie so nah wie in den vergangenen Monaten. Entschieden ist jedoch noch nichts. Für Anfang November schon war eine Einigung prophezeit worden, der Termin verstrich. "Wir sprechen darüber langsam", sagte Papst Franziskus im Oktober. "Aber Langsames wird immer gut." Eine Sprecherin des chinesischen Außenministeriums versicherte zur gleichen Zeit, China sei "bereit zu gemeinsamen Anstrengungen mit dem Vatikan, damit man sich in der Mitte treffen kann".

In Hongkong schätzt man die Zahl von Chinas Katholiken auf zwölf Millionen. Mehr als sechs Millionen davon sind in der Staatskirche organisiert, in der 1957 gegründeten Katholisch-Patriotischen Vereinigung. Offiziell sind in China nur Staatskirchen erlaubt. Es gibt auch eine protestantische, eine islamische, eine buddhistische und eine taoistische Staatskirche. Für die Katholiken aber ist das ein ungleich größeres Problem als für alle anderen, weil die katholische Kirche als einzige weltweit hierarchisch strukturiert ist. Weil gläubige Katholiken egal wo auf der Welt dem Papst in Rom treu sein müssen. Und das dürfen sie in China offiziell nicht. Seit der Machtübernahme der KP 1949 hat der Vatikan in China offiziell nichts mehr zu sagen. Höchste Autorität auf Erden für Chinas Katholiken soll nicht der Papst sein, sondern der Generalsekretär der Kommunistischen Partei. 1951 wurden die Vertreter des Vatikans aus China hinausgeworfen. Bis heute ist der Kirchenstaat eines der letzten Länder, das keine diplomatischen Beziehungen mit China hat.

Es gibt aber in China bis heute Millionen von Katholiken, die dem Papst die Treue halten: Laien, Priester und auch Bischöfe, die mit der Staatskirche nichts zu tun haben wollen. Sie leben ihren Glauben in dem, was man "Untergrundkirche" nennt. Schikane und Repressalien gegen die Priester dieser Kirche sind an der Tagesordnung. Und doch verschwammen die Grenzen zwischen den beiden Kirchen in den letzten Jahren: auch ein Großteil der Gläubigen und Priester der Patriotischen Kirche sehen sich als papsttreu. Peking duldet das. Zudem gab es über die Jahre hinweg eine stillschweigende Übereinkunft zwischen beiden Seiten: Man versuchte meist, Bischöfe auszusuchen, die die jeweils andere Seite akzeptierte. Das klappte nicht immer. Auf Pekings Geheiß wurden immer wieder auch Männer zu Bischöfen gekürt, die der Papst nicht guthieß und die dann exkommuniziert wurden. Und im Untergrund predigen gleichzeitig Dutzende von Bischöfen, die jede Zusammenarbeit mit der Partei verweigern. Sie riskieren Verhaftung und Misshandlung.

Genau darum geht es nun bei den Verhandlungen: Wie werden in Zukunft die Bischöfe ausgewählt? Wer hat das Sagen? Und was geschieht mit den schon Amtierenden, die von der jeweils anderen Seite nicht anerkannt werden? China verlangt offenbar vom Vatikan die Anerkennung jener acht pekingtreuen Bischöfe, die exkommuniziert wurden, darunter solche wie dem 2011 berufenen Lei Shiyin, dem Mätresse und Kinder nachgesagt werden. Auf der anderen Seite sind jene mehr als zwei Dutzend von Rom berufenen Bischöfe der Untergrundkirche, die Peking nicht anerkennt. Das sind heikle Punkte. Schon seit Jahren fühlen sich viele in der Untergrundkirche in ihrem Kampf und Leid von Rom nicht wirklich verstanden und unterstützt. Der Vatikan muss aufpassen, dass die Romtreuen einen möglichen Kompromiss nicht als Verrat am Glauben begreifen.

Selbst in Peking zeigen sich deshalb manche skeptisch. Ren Yanli, ein Katholizismus-Experte von der Chinesischen Akademie der Sozialwissenschaften glaubt, die Verhandlungen seien ins Stocken geraten. "Ich denke nicht, dass der Vatikan die Forderungen Chinas nach Anerkennung der acht Bischöfe akzeptieren kann", sagte Ren der Süddeutschen Zeitung. Chinas Regierung, meint er, komme dem Vatikan nicht wirklich entgegen. "Die Verhandlungsposition der chinesischen Regierung ist: Tu das, was ich sage." Ren erzählt von einem Beamten, der Mitglied der chinesischen Verhandlungsgruppe sei: "Der Beamte griff auf einer unserer Sitzungen den Vatikan an, weil der bis heute nicht aufgehört habe, sich in die Angelegenheiten der chinesischen katholischen Kirche einzumischen. Wie kann man mit solchen Meinungen ein Abkommen mit dem Vatikan aushandeln?" Chinas Staatspresse druckt ähnlich kompromisslose Positionen. Die Pekinger Global Times schrieb im Frühjahr, der Vatikan müsse endlich "die Unabhängigkeit der chinesischen katholischen Kirche akzeptieren".

Ist es Konfrontation, "wenn das Lamm sich wehrt, vom Wolf gefressen zu werden?"

Für den Hongkonger Kardinal Joseph Zen, einen prominenten Freund der Untergrundkirche, sind das weitere Belege, dass Chinas KP "keine Kompromisse kennt", wie er in einem offenen Brief schrieb. Die Dialogverfechter im Vatikan gäben sich falschen Illusionen hin. Peking akzeptiere letztlich nur "Unterwerfung". Zen schrieb, die Untergrundkirche fühle sich mehr und mehr von Rom im Stich gelassen. Er kündigte sogar "zivilen Ungehorsam" der Gläubigen an im Fall eines faulen Kompromisses mit der Staatskirche, die er von "Opportunisten" und "Puppen Pekings" beherrscht sieht. An seine innerkirchlichen Kritiker gerichtet, die ihm Konfrontationslust vorwarfen, schrieb er: "Wie könnt Ihr es Konfrontation nennen, wenn das Lamm sich wehrt, vom Wolf gefressen zu werden?" Sein Nachfolger im Bischofsamt von Hongkong, Kardinal John Tong wiederum, stellte sich vor den Papst. In einem Brief an seine Gemeinde attestierte er der chinesischen Regierung "den Willen zur Verständigung". Dialog sei der einzige Weg, um Vertrauen aufzubauen.

Am Mittwoch wurden in China von der Staatskirche wieder zwei Bischöfe ordiniert, die beide zugleich den Segen des Papstes haben. Die Hongkonger South China Morning Post nahm dies als Beleg für "den Fortschritt in den Beziehungen nach Jahren der Feindseligkeit". Kritiker sahen sich aber ebenso bestätigt: Zur Weihe des Chengduer Bischofs Joseph Tang verschaffte sich auch der vom Vatikan exkommunizierte pekingtreue Bischof Lei Shiyin Zutritt. Der katholischen Webseite Asia News zufolge hängten Gläubige aus Protest gegen Leis Kommen ein Banner auf. Eine Nonne habe versucht, sich ihm in den Weg zu stellen. Polizisten machten Lei den Weg in die Kirche frei. Asia News zitierte Kirchenleute vor Ort mit der Einschätzung, die Regierung habe Leis Anwesenheit gewünscht. "Sie wollte dem Vatikan zeigen, wer das Kommando hat über die Kirche in China."

© SZ vom 02.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: