Kanzleramt:Stadt, Land, Flucht

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Schnellere Asylverfahren, gezielte Deutschangebote: so wollen Bund und Länder mit Flüchtlingen umgehen.

Von Jan Bielicki, München

Schnellere Asylverfahren für Bewerber aus den Balkanstaaten, Integrationskurse für Kriegsflüchtlinge aus Syrien: Bund und Länder haben sich am Donnerstag auf einen Aktionsplan geeinigt, mit dem sie die Aufnahme einer wachsenden Zahl von Flüchtlingen besser organisieren wollen. Bundeskanzlerin Angela Merkel und die Ministerpräsidenten der 16 Bundesländer kamen bei einem Treffen im Berliner Kanzleramt überein, künftig stärker zwischen Flüchtlingen zu unterscheiden, die eine Aussicht auf Asyl in Deutschland haben, und solchen Asylbewerbern, "die keine Bleibeperspektive haben", wie Angela Merkel sagte. Das betrifft vor allem Asylbewerber aus den Balkanstaaten. Sie sollen künftig für die ganze Dauer des Verfahrens in den Erstaufnahmeeinrichtungen der Länder unterkommen. Durch dieses, so Merkel, "Clustern" sollen sich ihre Asylverfahren verkürzen - und Abschiebungen erleichtert werden. Ziel ist es, den Aufenthalt abgelehnter Asylbewerber bereits innerhalb von drei Monaten nach ihrer Registrierung zu beenden. Aus den sechs Nicht-EU-Ländern Südosteuropas stammt etwa die Hälfte aller Bewerber, die in diesem Jahr Asyl in Deutschland beantragt haben. Einen Schutzstatus erhalten nur wenige von ihnen; die Anerkennungsquote liegt bei 0,1 Prozent. Andererseits will der Bund Integrationskurse für Flüchtlinge etwa aus Syrien öffnen, die gute Chancen haben, dauerhaft Zuflucht in Deutschland zu finden. Zudem sollen nicht mehr die Kommunen, sondern die gesetzlichen Krankenkassen die ärztlichen Leistungen abrechnen, die bei der Behandlung von Asylbewerbern anfallen.

Eine Frage ist jedoch nicht geklärt: Wer bezahlt was? Bereits vor einer Woche, als die Ministerpräsidenten schon einmal mit der Kanzlerin zusammensaßen, vertagte sich die Runde auf den Herbst. Bis dahin sagte der Bund den Ländern immerhin zu, noch 2015 weitere 500 Millionen Euro auf eine bereits bewilligte halbe Milliarde draufzulegen. Und mit noch einem Versprechen der Bundesregierung fuhren die Landesoberhäupter nach Hause: Der Bund werde sich "strukturell und dauerhaft an den gesamtstaatlichen Kosten" beteiligen, die im Zusammenhang mit den vielen Flüchtlinge entstehen.

Für dieses Jahr werden 400 000 Asylbewerber erwartet. (Foto: Stephan Rumpf)

Das sei ein "Durchbruch", lobte Brandenburgs Regierungschef Dietmar Woidke (SPD) schon vor dem Treffen mit der Kanzlerin. Woidke wäre eine "feste Beteiligung pro Flüchtling in einer bestimmten Höhe" am liebsten. Manche Länder haben bereits ausgerechnet, wie viel das ihrer Ansicht nach sein sollte, und kamen auf eine Pauschale von bis zu 14 000 Euro für jeden der 400 000 vom Bundesamt in diesem Jahr erwarteten Asylbewerber. So weit ging Woidke nicht - eine halbe Milliarde Euro sei aber "deutlich zu niedrig". Allerdings hängt eine Einigung an einem grundsätzlicheren Problem: Derzeit verhandeln Bund und Länder auch darüber, wie das Geld der Steuerzahler zwischen ihnen aufgeteilt werden soll, wenn 2019 Länderfinanzausgleich und Solidarpakt auslaufen. Darüber gibt es noch große Differenzen zwischen den Ländern.

Zuvor hatte Merkel im Bundestag die EU-Staaten aufgefordert, sich auf eine faire Verteilung der Flüchtlinge zu einigen. Es könne nicht sein, dass fünf EU-Staaten weiter drei Viertel aller Flüchtlinge aufnehmen würden, sagte sie in ihrer Regierungserklärung zum bevorstehenden EU-Gipfel.

© SZ vom 19.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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