Kampf um Rote Moschee:Die Schule des Dschihad

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Noch immer harren Koranschüler in der umkämpften Roten Moschee in Islamabad aus. Die Studenten in der Hauptstadt einer Atommacht fordern auch den Westen heraus.

Peter Münch

Selbst an ruhigen Tagen geht es rund um die Lal Masijd, die Rote Moschee von Islamabad, hektisch und ein wenig gespenstisch zu. Scharen bärtiger junger Männer und Burka-verhüllter Mädchen aus den beiden angeschlossenen Koranschulen füllen den Vorplatz, und die Händler verkaufen von der Gebetskette bis zum schwarzen Turbantuch alles, was der Fromme zum Leben so braucht. In der sterilen Verwaltungsstadt Islamabad wirkt die Rote Moschee wie eine radikale Insel.

Nun aber herrscht Krieg rund um die Lal Masijd. Sicherheitskräfte sind am Mittwoch mit gepanzerten Fahrzeugen und Maschinengewehren in Stellung gegangen, nachdem bei Schießereien mit Radikalen seit Dienstag mehr als ein Dutzend Menschen getötet und Hunderte verletzt worden waren. Mitten im Regierungsviertel der pakistanischen Hauptstadt, nur einen Steinwurf entfernt vom Präsidentenpalast, dem Parlament und der Geheimdienstzentrale, ist ein Konflikt eskaliert, der das Land seit Monaten in Atem hält.

In der Hauptstadt einer Atommacht

Denn die Rote Moschee ist ein Stützpunkt der nicht nur in Afghanistan, sondern mittlerweile auch in Pakistan kämpfenden Taliban - ein Brückenkopf von Korankriegern im Herzen der Hauptstadt einer Atommacht.

Zur Moschee gehören zwei Koranschulen (Madrassas), eine für Mädchen, eine für Jungen, und die insgesamt mehr als 10000 Schüler werden hier im Geiste des Dschihad, des Heiligen Kriegs, erzogen. Moschee und Madrassas werden vom radikalen Bruderpaar Abdul Aziz und Abdul Rashid Ghazi geleitet, die den religiösen Titel eines Maulana tragen, und beide Kleriker fordern den Staat seit Jahresbeginn mit immer massiveren Provokationen heraus.

Erst ließen sie die Mädchen ihrer Schule eine staatliche Bibliothek besetzen, die an das Moscheegelände angrenzt. Dann schickten sie die Schülerinnen zum Randalieren auf die Märkte, wo sie Geschäfte verwüsteten, die DVDs und Musik-CDs verkauften. Schließlich nahmen sie in einem Bordell und einem chinesischen Massagesalon Geiseln, auch einige Polizisten wurden zwischenzeitlich auf das Moschee-Gelände verschleppt.

Staat schaute lange zu

Der pakistanische Staat, der sonst oft jede oppositionelle Aktivität mit Gewalt unterbindet, ließ die radikalen Islamisten lange gewähren - und wurde dafür von deren Anführern verhöhnt. "Wenn die Polizei hier rein will, dann gibt es einen Aufstand. Dann kommen die Taliban aus den Stammesgebieten", sagte Maulana Abdul Rashid Ghazi noch vor wenigen Wochen der Süddeutschen Zeitung. Ultimativ forderte er von der Regierung die Einführung der Scharia, des islamischen Rechts, und die Ausrufung eines islamistischen Staats.

Dabei kämpft der graubärtige Maulana für diesen Gottesstaat mit modernsten Mitteln. Hinter den Mauern der Moschee sitzt er an einem Schreibtisch mit Computerbildschirm und Internetanschluss, ständig klingelt sein Handy.

Seine Schüler jedoch erhalten im Koranunterricht gleichsam eine Gehirnwäsche. Von ihrem Lehrer Abdul Rashid Ghazi hören sie die Botschaft vom seligmachenden Kampf gegen die "westlichen Eindringlinge" im benachbarten Afghanistan, und auch an der Heimatfront werden sie auf Gewalt eingeschworen. Dicht an dicht stehen auf dem Moscheegelände seit längerem Zelte, in denen die Fußtruppen des Maulanas kampieren. Auch gut gefüllte Waffenlager sind dort angelegt worden. Zur Abschreckung drohten die Ghazi-Brüder dem Staat im Falle eines Angriffs mit Selbstmordanschlägen im Regierungsviertel.

Mit der Angst vor solchen Anschlägen begründete Präsident Pervez Musharraf noch vor einer Woche die Untätigkeit der Sicherheitskräfte gegenüber dieser radikalen Herausforderung. Doch Beobachter sahen dafür auch noch andere Gründe: Traditionell bestehen zwischen der Roten Moschee und dem Geheimdienst ISI enge Verbindungen.

Geheimdienstler beten in Moschee

Der Geheimdienst hatte in den neunziger Jahren die Taliban-Bewegung mit aus der Taufe gehoben, um im benachbarten Afghanistan für Ruhe und für eine pakistanfreundliche Regierung zu sorgen. Seit jeher kommen viele Geheimdienstleute zum Freitagsgebet hierher. Somit sind die Geschehnisse rund um die Rote Moschee typisch für das verworrene Spiel, das in Pakistan zwischen dem Staat und den Islamisten gespielt wird.

Denn als enger Verbündeter der USA im Anti-Terror-Krieg bekämpft die Regierung mit der einen Hand die Radikalen. Mit der anderen Hand aber füttert sie den vermeintlichen Feind. Das Kalkül dahinter: Solange es in Pakistan eine islamistische Bedrohung gibt, kann sich Putsch-General Musharraf den USA als Retter vor der grünen Gefahr andienen und dafür Milliarden Dollar an Finanzhilfe erwarten. Doch die Islamisten lassen sich immer weniger kontrollieren, und spätestens jetzt müsste das auch der Regierung dämmern.

Am Mittwoch stellten die Sicherheitskräfte den Verteidigern der Roten Moschee, die sich hinter den Mauern verschanzt hatten, ein Ultimatum zur Aufgabe. Präsident Musharraf versprach überdies jedem, der die Moschee verlässt, 5000 Rupien (60 Euro). Etwa 700 Koranschüler und -schülerinnen haben sich daraufhin ergeben. Auch Maulana Abdel Aziz verließ die Moschee - allerdings nicht, um zu kapitulieren. Polizisten fassten ihn bei einem Fluchtversuch - er hatte sich mit einer Burka verkleidet.

Der Machtkampf zwischen der Regierung und den Islamisten, der nun rund um die Rote Moschee offen ausgebrochen ist, wird jedoch nicht nur hier entschieden. In Pakistan gibt es mittlerweile landesweit mehrere tausend Koranschulen, in denen radikale Mullahs ihren Schülern tagtäglich den Heiligen Krieg predigen.

© SZ vom 5. Juli 2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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