Kalifornien und sein Gouverneur:In harten Fällen Wiener Schnitzel

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Er bezirzt und bedroht, er kämpft und trickst so lange, bis er erreicht hat, was er will - die Erfolgsgeschichte des Gouverneurs Arnold Schwarzenegger und seiner österreichisch-kalifornischen Diktatur.

Es gibt bessere und schlechtere Büros im State Capitol von Sacramento, und es gibt das Zimmer 2013, das Büro des Abgeordneten Juan Vargas. Von hier aus kann man am besten in den Innenhof sehen, auf den Kunstrasen, die stählernen Gartenmöbel und das nikotingelbe Raucherzelt, das sie hier nur noch ehrfürchtig das "deal tent" nennen.

"Zermalme deine Feinde, treibe sie vor dir her und höre die Klagen ihrer Frauen": Gouverneur Arnold Schwarzenegger mit Fans. (Foto: Foto: AP)

Victoria Harris hat ihren Arbeitsplatz direkt am Fenster. Sie ist Referentin von Juan Vargas in 2013, und von hier aus kann sie genau sehen, wie der Gouverneur von Kalifornien den Kunstrasen des Innenhofes entlangläuft, wie er ins Raucherzelt geht und sich in seinen Rattanstuhl am Zelteingang sinken lässt.

"Seitdem er hier ist, ist etwas los in Sacramento", sagt Victoria Harris, und man sieht ihr an, dass sie schon viele Jahre der Langeweile in der kalifornischen Hauptstadt hinter sich hat. Sie beugt sich nach vorne und zeigt nach unten, wo jetzt der verlassene Hof liegt, weil Mittagszeit ist, und der Gouverneur zu dieser Zeit lieber im Steakhouse zwei Straßen weiter überteuerte Hamburger isst. "Sehen Sie, da sitzt er dann", sagt Harris, "da unten am Eingang. Arnold sitzt immer am Eingang."

Regieren mit dem Megaphon

Das Zelt ist ein fast mystischer Ort, der Harem der Machtpolitik des Arnold Schwarzeneggers. Man weiß um den großen Glastisch, der hier steht, die Aschenbecher aus Bakkarat-Kristall und den Humidor mit den teuren Zigarren. Schwarzenegger bringt in diesem Zelt die Wichtigsten seines Staates zusammen, Abgeordnete, Lobbyisten und Journalisten von Rang, die schon hier waren, als er in Hollywood noch "Conan, der Barbar" drehte.

Einzeln und in Gruppen werden sie von Schwarzenegger bewirtet, bezirzt und bedroht, so lange, bis er einen anständigen Staatshaushalt vorlegen kann, bis der Arbeitsmarkt dereguliert ist, die mächtige Gefängniswärter-Gewerkschaft keine neuen Lohnforderungen mehr stellt und er sagen kann: "Kalifornien ist wieder offen für Geschäfte."

Als Arnold noch "Der City-Hai" war, wurde mit Widersachern nicht viel diskutiert. Wer gegen ihn war, bekam Haue. (Foto: Foto: dpa)

Es gibt feine Montechristo-Zigarren dazu, mitten im Machtzentrum des Nichtraucherstaats Kalifornien, und in besonders schweren Fällen lässt Schwarzenegger hier sogar Wiener Schnitzel servieren.

Ein Jahr ist es her, dass Schwarzenegger die Wahl in Kalifornien gewann, jenen legendären Kampf, in dem der Volkszorn den Nicht-Politiker nach oben spülte. Und so wie er gewann, regiert er auch das Land: mit dem Megaphon und ein paar Einzeilern, immer auf der Suche nach einem Punktsieg gegen die Korrektheit und Langeweile der politischen Klasse Kaliforniens.

Auf dem Gemüselaster mit Winnetou

Schwarzenegger nimmt die Verdreifachung der KfZ-Steuer an seinem ersten Amtstag zurück, er fährt mit einem Umzugswagen in die Fashion Mall nach Las Vegas und verspricht dem ersten Unternehmer Umzugshilfe, der zurück nach Kalifornien kommt. Er setzt sich auf einen Gemüselaster, neben ihm sein Landwirtschaftsminister, der aussieht wie Winnetou, und sagt den Leuten, sie sollen wieder heimisches Obst und Gemüse kaufen.

Und er organisiert in Sacramento einen Flohmarkt, bei dem er überflüssige Ampelbirnen und beschlagnahmte Autos verkaufen lässt. Das alles brauchte man natürlich nicht, um den kalifornischen Haushalt zu sanieren, aber in der Zeitung steht dann immerhin, dass Schwarzenegger sich auch vor so etwas nicht scheut. "Popcorn-Politik", nennt das die liberale Los Angeles Times, der Überraschungseffekte wegen.

In den marmornen Fluren des Gouverneurtrakts drängen sich die Touristen. Sie fragen nach Schwarzenegger, wo er hereinkommt, wo er arbeitet, wo er isst. Vor der Eichentür, die zu seinem Büro führt und jetzt immer von einem Parkwächter bewacht ist, hängen Bilder der ersten zehn Monate seiner Amtszeit als Gouverneur.

Früher stand hier "Govenor", heute "Arnold Schwarzenegger", in Gold

Seit den Fünfzigerjahren sitzen hier die Gouverneure, und jeder vor Schwarzenegger hat sich mit dem schlichten Schriftzug "Governor" über der Tür begnügt. Nun aber steht dort in goldenen Buchstaben "Arnold Schwarzenegger", als schwebe der Name über dem Amt.

Es soll Ärger gegeben haben, als Schwarzenegger seinen Namen dorthin setzten ließ, steht in Zeitungsartikeln. Und wenn man in der Pressestelle nachfragt, was es denn mit dem neuen Schriftzug auf sich habe, mit dieser protzigen Verkündung der Macht, bekommt man zur Antwort, der Schriftzug sei ein Privatprojekt von Maria Shriver gewesen und als solches praktisch unzugänglich für weitere Nachforschungen.

Wer denn Schriftzug angebracht habe, ob man wenigstens das erfahren könne? "Das weiß nur Maria." Nach langem Suchen findet man Miguel Lopez, den Restaurateur. Er ist der Mann, der Schwarzeneggers Mahagoni-Möbel abschleift und Blattgold neu auflegt, wenn es irgendwo fehlt. Er ist ein überaus freundlicher Mann, der einen kleinen Umweg macht zum "See's", dem Pralinenladen an der Nordseite des Parlamentsgebäudes.

Hier hat Schwarzenegger einst Pralinen für Senator John Burton gekauft, um ihn für seine Politik zu gewinnen. Lopez war es, der den Goldschriftzug "Arnold Schwarzenegger" über der Bürotür angebracht hat. Er betont, dass er eigentlich nichts sagen dürfe, aber wenn der Artikel nur in Deutsch erscheine, naja, dann sei das was anderes.

Ohnehin verstehe er die Aufregung um die Buchstaben nicht, denn Maria Shriver habe nur schwarze Plastikbuchstaben bestellt, und er, Miguel Lopez, habe sie mit Blattgold aus Deutschland so richtig wertvoll gemacht. "94,6 Karat Gold", sagt er. Ein ganzes Wochenende habe er mit den Buchstaben verbracht, er habe sogar die Tür zum Gouverneursbüro sperren müssen - und "die schönen Ladys, die Arnold beschäftigt, mussten einen Moment draußen bleiben".

Makellos wie Kunstrasen

Arnold Schwarzeneggers Autokorso hat im Parkverbot vor dem Esquire Grill geparkt, seinem Lieblingsrestaurant in Sacramento, in dem es Hamburger für 14Dollar gibt. Schwarzenegger trägt Orange an diesem Tag, sein Haar sieht so makellos aus wie der Kunstrasen vor seinem Büro, und man kann beobachten, wie er mit der Gemessenheit eines Gabelstaplers aus einem schwarzen Kleinlaster steigt.

Er hat eine Geschäftsfrau dabei, mit der er ein paar freundliche Worte wechselt, dann kommt der beste Moment für eine kleine Unterbrechung. "Herr Schwarzenegger, Herr Schwarzenegger, bitte nur eine Frage auf Deutsch." Der Gouverneur bewegt sich in Zeitlupe, als kümmere sich ein Großrechner um die Optimierung der Gesten.

"Herr Schwarzenegger, hören Sie doch bitte, was halten Sie von deutschen Firmen in Kalifornien?" Schwarzenegger hebt den Zeigefinger, langsam, als werde er gleich mit Stubenarrest drohen. Und dann sagt er nur, anstatt zu antworten: "Wie geht's?"

Im Capitol Coffee, der Caféteria im Keller des Gouverneurtraktes, hat Tiffany Bressler die Wände mit Schwarzenegger-Fotos beklebt, mühevoll herausgesuchte Zeitungsausschnitte, was ein wenig befremdlich anmutet, weil der Gouverneur nur ein paar Meter von Tiffany Bressler sein Büro hat. In den Zeitungen steht, dass ein Gouverneur seit 30 Jahren nicht mehr so beliebt war in Kalifornien wie er und dass 67 Prozent der Unternehmen finden, das Land gehe in die richtige Richtung.

Der Museumsshop lebt gut vom Arnie-Utensilienhandel

Seine Partei hat in diesem Jahr 24 Millionen Dollar eingenommen, fast das Dreifache des Jahres 2000. "Wir haben den Governator noch immer nicht gesehen", hat Tiffany Bressler an die Wand der Caféteria gekritzelt. Sie sagt, dass sie ein Schwarzenegger-Fan sei, dass sie seine Filme kenne und toll finde, was Schwarzenegger bisher geleistet hat. "Arnold ist in der Normandie gelandet", sagt Warren Buffet, Börsenguru und Schwarzeneggers Wirtschaftsberater, "er muss jetzt nur noch durch Frankreich marschieren. Aber das Ergebnis wird immer das gleiche sein: Erfolg".

Arnold Schwarzenegger selbst spricht in diesem Zusammenhang gerne von der "kalifornisch-österreichischen Monarchie", und wenn es stimmt, was Margaret Talev von der Hauptstadtzeitung Sacramento Bee sagt, haben viele Abgeordnete Angst vor ihm. "Zermalme deine Feinde, treibe sie vor dir her und höre die Klagen ihrer Frauen", sagte Schwarzenegger einmal in einem Interview. Und dann: "Hoppla, das war doch Conan."

Als der kalifornische Staatshaushalt verabschiedet wurde, drohte er zum Beispiel Abgeordneten, er werde ihre Wiederwahl im November mit Auftritten in ihrem Wahlkreis "terminieren". Die Abweichler beschimpfte er öffentlich als "girlie men", als "mädchenhafte Männer". Gouverneur Schwarzenegger sorgt für ein gutes Geschäft. Einer seiner Leute sagt: "Jetzt wissen wenigstens die Japaner, wo Sacramento liegt." Museumsdirektor Vito Sgromo meint, seine Führungen seien ausgebucht, und unten im Museumsladen des Parlamentsgebäudes verkauft Judy Petrocchi "Schwarzenegger-Studentenfutter" wie früher die berühmten Fruchtgummis von Gouverneur Ronald Reagan.

Arnies Studentenfutter, das Glas 16 Dollar

Schwarzenegger hat die Studentenfutter-Mischung aus kalifornischen Landwirtschaftsprodukten zusammenstellen lassen, und wer sie haben will, muss 16 Dollar pro Glas bezahlen. Seitdem er Gouverneur ist, sagt Judy Petrocchi vom Museumsladen, hat sich der Umsatz des Museumsshops verdreifacht. Es gibt Schwarzenegger-T-Shirts, Schwarzenegger-Tassen und "Governator"-Anstecker für einen Dollar.

Es gibt eine Schmuck-Kollektion von Mary Shriver, seiner Frau, was geradezu revolutionär ist, wenn man bedenkt, dass es unter Schwarzeneggers Vorgänger Gray Davis nur ein bemitleidenswert harmloses Kinderbuch der First Lady Sharon Davis zu kaufen gab. Titel: "Kitty, den Kapitolskater". Schwarzenegger hat die Leute begeistert, im Madison Square Garden in New York, in der Cheesecake Factory in San Diego und im Mule-Creek-Staatsgefängnis auf den Hügeln über Sacramento.

Man kann es schon daran sehen, dass im Verwaltungstrakt des Hochsicherheitsgefängnisses die Bildschirmschoner mit Arnold-Bildern geladen sind. Die Gefängniswärter-Gewerkschaft ist eine der mächtigsten Lobbyverbände im Land und einer der größten Sorgen für die Haushälter Kaliforniens. Schwarzenegger ist hier in den Wachtturm im B-Trakt gestiegen, er hat den Gefangenen zugewinkt und die Werkstatt besucht, in der sein 1000-Pfund-Tisch gefertigt wurde, von dem er sagt, dass ihn niemand außer ihm heben könne.

"Er ist der König"

Scott Kernan, der Gefängnischef hat sich vorher beim Gouverneursbüro versichert, ob er mit der Presse reden kann, und wenn man ihn fragt, ob er irgendeinen Wunsch an den Gouverneur hat, sagt er: "Keinen. Er macht alles perfekt". Schwarzenegger sei amüsant gewesen, er sei auf das Verbot von Krafträumen in kalifornischen Gefängnissen zu sprechen gekommen und als er die Stangen im Gefängnishof gesehen habe, soll er den Gefangenen zugerufen haben, so habe er in Venice Beach auch begonnen. "Wenn Arnold scheitert", sagt ein Vertreter aus seiner Partei, "dann scheitert auch Kalifornien."

Die New York Times, die sich vor einem Jahr noch über Schwarzeneggers politische Ambitionen lustig machte, erklärte jüngst, dass über Schwarzenegger inzwischen niemand mehr lacht. Seit knapp zehn Monaten ist der gebürtige Österreicher nun Gouverneur von Kalifornien, der fünftgrößten Volkswirtschaft der Welt, und er wird für diese zehn Monate gerühmt, auf den Titelseiten des Kultmagazins Wired, der Wirtschaftszeitung Fortune und dem Westernblatt Indians & Cowboys.

George W. Bush empfängt ihn zur besten Sendezeit

Präsident George W. Bush empfängt ihn in Ehren, und auf dem Parteitag der Republikaner in New York bekam er einen Auftritt zur besten Sendezeit. Seine Parteifreunde können sich inzwischen vorstellen, dass er einmal ins Weiße Haus einzieht, wie zum Beispiel Senator Orrin Hatch aus Utah, der an einer Verfassungsänderung arbeitet, die es auch im Ausland geborenen Staatsbürgern erlauben soll, Präsident zu werden.

Vor dem Parlamentsgebäude in Sacramento ist es dunkel geworden, und wie die Spitze eines Leuchtturms schwebt die oberste Etage des Hyatt-Hotels über der Stadt. Schwarzenegger hat die gemietet, für 54 979 Dollar im ersten Halbjahr, weil das Hyatt das einzige Hotel mit großer Dachterrasse zum Rauchen ist. Es ist die Zeit, in der Rick Leonard, der Manager des Capitol Athletic Club in der 8th Street noch auf seinen prominentesten Gast, den mit der Mitgliedsnummer 571234, wartet.

Leonard bevorzugt übrigens violette Garderobe und sieht aus, als trage er einen Gebissschutz. Er hat für Schwarzenegger seinen eigenen Privatspind ausgeräumt, den Spind in dem Executive Locker Room mit der Nummer sechs. Er hat ihm auch eine kostenlose Mitgliedschaft geben wollen, doch dann hat das Gouverneursbüro angerufen und um die Rechnung gebeten. "Schließlich soll er sich hier wohlfühlen", sagt Rick Leonard. "Er ist doch der König."

© SZ vom 10.9.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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