Kabinett beschließt Steueränderungen:Betriebsrenten bleiben begünstigt

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Die Bundesregierung hat die weitere Förderung der betrieblichen Altersvorsorge beschlossen. Das Kabinett einigte sich am Mittwoch zudem auf den Ausstieg aus der subventionierten Steinkohleförderung sowie auf die zentrale Erfassung aller Steuerdaten.

Der Aufbau von Betriebsrenten soll unbefristet weiter gefördert werden. Dies beschloss das Bundeskabinett am Mittwoch auf Vorschlag des Sozialministeriums. Demnach soll die sogenannte Sozialversicherungsfreiheit der Entgeltumwandlung über 2008 hinaus ohne weitere Zeitbegrenzung fortgesetzt werden.

Außerdem soll das Lebensalter um fünf auf 25 Jahre reduziert werden, nach dem die Anwartschaften auf arbeitgeberfinanzierte Betriebsrenten nicht mehr verfallen können. Diese Gefahr bestand bisher bei Jobwechseln oder bei Jobpausen beziehungsweise -aufgaben zur Geburt oder Kindererziehung.

Damit will das Ministerium nach eigenen Angaben eine "solide und dauerhafte Grundlage für die Förderung der betrieblichen Altersversorgung" sowie eine bessere Planbarkeit herstellen. Der mit der Rentenreform 2002 eingeleitete Auf- und Ausbau kapitalgedeckter zusätzlicher Altersvorsorge könne und müsse "auf breiter Front weitergehen".

Ende 2006 verfügten nach Ministeriumsangaben 17,3 Millionen Arbeitnehmer über eine Betriebsrentenanwartschaft. Das entspreche rund 65 Prozent aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten. Daneben seien bislang etwa 8,5 Millionen Verträge über Riester-Renten abgeschlossen worden.

Neuen Untersuchungen zufolge beruhe die positive Entwicklung der betrieblichen Altersversorgung in erster Linie auf der Steuer- und Beitragsfreiheit der Entgeltumwandlung. Allerdings habe sich dieses Wachstum zuletzt merklich abgeschwächt, was das Ministerium mit dem bisher vorgesehenen Wegfall der Beitragsfreiheit in Zusammenhang brachte.

Grünes Licht für Kohleausstieg

Desweiteren leitete die Bundesregierung den Ausstieg aus der subventionierten Steinkohleförderung im Jahr 2018 und damit das Ende einer industriepolitischen Epoche ein. Nach dem vom Kabinett am Mittwoch beschlossenen Gesetz liegen die Kosten ab 2009 bei insgesamt bis zu 29,5 Milliarden Euro.

Rund 21,6 Milliarden Euro für Beihilfen und Anpassungsgeld für Bergleute müssen aus Steuermitteln bezahlt werden. Davon trägt der Bund mit bis zu 17 Milliarden Euro den Löwenanteil. Der Bundestag muss dem Gesetz noch zustimmen. Der Kohleausstieg macht den Weg frei für den Börsengang des Essener Mischkonzerns RAG.

Lesen Sie weiter auf Seite 2: Wie sich die Große Koalition nach monatelangem Streit auf das Ende des Bergbaus einigte. Sowie auf Seite 3: Das Ende der Lohnsteuerkarte und das neue Gentechnikgesetz

SPD und Union hatten monatelang über das Ende des Bergbaus und die Besetzung der Kohle-Stiftung gestritten. Die Union verhinderte, dass der von der SPD favorisierte RAG-Chef Werner Müller an die Spitze der Stiftung rückte. Der frühere Wirtschaftsminister bleibt nun RAG-Chef und soll im nächsten Jahr den profitablen "weißen Bereich" aus Immobilien, Kraftwerken und Chemie an die Börse bringen. Die daraus erwarteten etwa fünf Milliarden Euro werden von der Stiftung verwaltet, die den Bergbau ("schwarzer Bereich") der RAG abwickelt.

Durch Zinserträge soll der Kapitalstock auf 8,5 Milliarden Euro anwachsen. Die "Ewigkeitskosten" wie Dauerbergschäden und das Abpumpen des Grundwassers, die auf 6,9 Milliarden Euro veranschlagt sind, werden von der Stiftung beglichen. Der Bund stellt bis zu 1,6 Milliarden Euro bereit, um Pensionsverpflichtungen der Bergbaufirmen oder sonstige Bergschäden zu regulieren. Auf NRW entfallen bis zu 463 Millionen Euro, die RAG stellt 61 Millionen Euro zur Verfügung.

Sollte das Stiftungsgeld nicht reichen, um die Ewigkeitslasten abzudecken, müssen NRW und das Saarland einspringen. Im Kohlekompromiss vom Frühjahr verpflichtete sich aber der Bund, dann den Ländern bei einem Drittel der Kosten unter die Arme zu greifen.

Die SPD hat im Gesetz die Option durchgesetzt, dass der Bundestag 2012 den Ausstieg noch einmal überprüfen kann. "Das nehmen wir ernst. Überprüfung heißt Revision, echte Revision", sagte Vize-Kanzler Franz Müntefering (SPD) der Deutschen Presse-Agentur dpa. Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) sagte im Rundfunk Berlin-Brandburg, er glaube nicht, dass der Ausstieg noch einmal rückgängig gemacht werde. Das könne keine Regierung stemmen.

In der SPD wird gehofft, dass die zu teure deutsche Steinkohle auf dem Weltmarkt doch noch konkurrenzfähig wird. Aktuell gibt es in acht Zechen rund 33 000 Bergleute. Betriebsbedingte Kündigungen sind ausgeschlossen. Kumpel, die durch Zechenschließungen ihren Job verlieren, erhalten nach ihrer Entlassung für längstens fünf Jahre Anpassungsgeld.

NRW mit seinen sieben Zechen wird sich an den Beihilfen für das Auslaufen des Bergbaus mit bis zu knapp vier Milliarden Euro beteiligen. Nach 2014 muss das Land aber keine Subventionen mehr zahlen. Der Bund trägt die Lasten dann alleine. Das Saarland, das nur ein Bergwerk hat, braucht sich an den Kohlehilfen gar nicht zu beteiligen. Im Gesetz heißt es, dass die Steinkohlenproduktion nicht wettbewerbsfähig sei und nicht erkennbar sei, dass sich an diesem Zustand "in absehbarer Zeit" etwas ändern werde.

"Subventionen in Milliardenhöhe (...) können auf Dauer nicht aufrechterhalten werden." Heute bekommt die RAG von Bund und NRW jährlich bis zu 2,5 Milliarden Euro an Beihilfen.

Der Vorsitzende der Gewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie, Hubertus Schmoldt, misst den Vereinbarungen zum Kohleausstieg "historische Tragweite" bei. "Damit ist für den schwarzen und weißen Bereich der RAG die Planungssicherheit erreicht, auf die alle Beschäftigten lange warten mussten", erklärte der IGBCE-Chef. Er erwarte nun, dass das Gesetz Anfang Dezember in Kraft trete und der Bergbau "noch in diesem Jahr die lang erwarteten Zuwendungsbescheide erhält".

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Ende der Lohnsteuerkarte

Die bisherige Papier-Lohnsteuerkarte wird nach dem Willen der Bundesregierung bis 2011 abgeschafft und durch ein elektronisches Verfahren ersetzt. Das Bundeskabinett verabschiedete dafür am Mittwoch den Entwurf des "Jahressteuergesetzes 2008". Das neue Verfahren soll nach Angaben des Bundesfinanzministeriums zu dauerhaften Einsparungen von 280 Millionen Euro im Jahr führen.

Beim Bundeszentralamt für Steuern in Bonn wird danach eine Datenbank für den Lohnsteuerabzug aufgebaut. Dort sollen für jeden Arbeitnehmer die Daten gespeichert werden, die bisher auf der Vorderseite der Lohnsteuerkarte eingetragen waren. Gemeinden und Finanzämter speisen ihre Daten ein, sie werden dann den Arbeitgebern elektronisch kostenlos zur Verfügung gestellt.

Für die Arbeitnehmer entfällt damit die Übermittlung der Lohnsteuerkarte an den Arbeitgeber. Der Arbeitnehmer teilt dem Arbeitgeber künftig nur seine elfstellige steuerliche Identifikationsnummer und sein Geburtsdatum mit. Die Meldebehörden haben am 1. Juli begonnen, die Daten an das Bundesamt zu übermitteln. Die Nummern werden für jeden der mehr als 80 Millionen Bürger vergeben.

Neues Gentechnikgesetz

Am Mittwoch hat das Bundeskabinett zudem die umstrittene Novelle des Gentechnikgesetzes gebilligt. Bundesagrarminister Horst Seehofer (CSU) äußerte sich "zufrieden" über die Zustimmung für die vorgelegten Änderungen des Gentechnikrechts.

Das Kabinett habe damit für "mehr Klarheit und Sicherheit bei der Gentechnik in Deutschland" gesorgt. Nach Aussagen von Seehofer bietet der Entwurf der konventionellen und ökologischen Landwirtschaft einen sehr hohen Schutz und berücksichtigt auch die Interessen der Verbraucher.

Die Novelle sieht für Felder mit gentechnisch veränderten Pflanzen einen Mindestabstand von 150 Metern zu konventionellen und 300 Meter zu ökologischen Anbauflächen vor.

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