Jugendliche als Testkäufer:Von der Leyens Lockvögel

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Die Lehre aus den hitzigen Diskussionen der letzten Tage: Der Jugendschutz ist mangelhaft - und manche Reformidee der Familienministerin auch.

Nina von Hardenberg

Es gehört zu den Ritualen der Politik, dass Regierungen auf schreckliche Ereignisse mit öffentlichem Tatendrang reagieren. Nach dem Amoklauf eines Jugendlichen in Emsdetten im vergangenen Winter versprach Familienministerin Ursula von der Leyen sogleich ein "Sofortprogramm zum Schutz der Jugend vor Gewalt in den Medien"

Sie setzte Aktionismus gegen das Gefühl von Ohnmacht, das die Bürger beschlich; Reformeifer gegen die Angst der Eltern, dass ihnen ihre Kinder entgleiten. Kommenden Mittwoch soll die Verschärfung des Jugendschutzgesetzes im Kabinett verabschiedet werden - und es wird einiges zu debattieren geben. Denn es entpuppt sich manches an dem Gesetz als Schnellschuss.

Kaum zu vermitteln war etwa die Idee, dass 14-Jährige als eine Art Lockvögel testen sollten, ob sich Ladenbesitzer an die Altersbeschränkungen für den Verkauf von Alkohol oder grausame Videos halten. Der Plan, offenbar ebenso hastig entworfen wie er dann am Sonntag wieder zurückgezogen wurde, hatte den Gedanken des Jugendschutzes auf den Kopf gestellt, ganz abgesehen von der Frage, ob der Staat Minderjährige überhaupt rechtlich in dieser Weise instrumentalisieren darf.

Strengere Gesetze sind angebracht

Eine Verschärfung der Gesetze zur Verbreitung von grausamen Videos und Computerspielen unter Jugendlichen ist zwar dringend notwendig. Fraglich ist jedoch, ob Altersbegrenzungen das richtige Mittel dafür sind. Umfragen zeigen, dass sich der Reiz, ein Computerspiel zu testen, für Jugendliche durch eine strenge Altersbeschränkung sogar erhöht. Auch muss ein cleverer 13-Jähriger gar nicht erst einen Videoverkäufer austricksen, um an ein Spiel heranzukommen. Er findet eine Raubkopie davon im Internet.

Statt jugendliche Hilfspolizisten Videothekenbesitzer kontrollieren zu lassen, scheint es sinnvoller, "gewaltbeherrschte" Spiele gleich ganz aus den Regalen zu verbannen. Schon heute gilt diese Regel für Pornostreifen und für "gewaltverherrlichende" Filme und Computerspiele, und sie hat sich als effektiv erwiesen.

Diese Medien dürfen nur in abgetrennten Räumen oder unter der Ladentheke verkauft werden, und sie dürfen vor allem nicht beworben werden. Filme, für die es keinerlei Werbung gibt, werden von Jugendlichen kaum gespielt - egal, ob sie im Internet zu finden sind. Bislang wird von dieser Möglichkeit, Filme zu indizieren, viel zu wenig Gebrauch gemacht. Das Gesetz will diesen Verbotskatalog nun zu Recht ausweiten.

Ein Verbot kann jedoch nur so effektiv sein, wie die Behörde, die es umsetzt. Die Bundesprüfstelle wird aber nur auf Hinweise von der Freiwilligen Selbstkontrolle der Unterhaltungs-Software (USK) hin aktiv. Kritiker bemängeln, dass die USK zu eng mit der Filmindustrie verflochten ist, um wirklich unabhängig arbeiten zu können. So beraten die Spiele-Tester der USK zugleich auch die Computerindustrie bei Fragen der Alterskennzeichnungen. Eine echte Reform muss hier ansetzen.

Eltern und Lehrer müssen unterstützt werden

Doch auch die schärfste Kontrolle wird nicht rückgängig machen, was bereits geschehen ist: Schon heute sind Hunderte Spiele mit grausamen Gewaltszenen auf dem Markt. Kinder, die sich in der virtuellen Welt eine Zuflucht und Erfolg in digitalen Schlachten suchen, werden immer ein Spiel finden. Außer über neue Verbote muss die Gesellschaft darum auch darüber nachdenken, wie sie ihre Kinder gegen Computersucht stabilisieren will.

Wie kann sie Eltern und Lehrer unterstützen, das Selbstbewusstsein der Jugendlichen auf anderen Wegen zu fördern? Mit welchen Spielen lässt sich die Phantasie der Kinder stärken? Und wie ist ihnen die Bedeutung von echter eigener Lebenserfahrung zu vermitteln?

Bei diesen Fragen helfen Sofortprogramme wenig. Eine Politik zum Schutz der Gesellschaft vor gewaltbereiten Jugendlichen braucht einen längeren Atem.

© SZ vom 15.10.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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