Jimmy Carter:Von Brennpunkt zu Brennpunkt

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Der einstige US-Präsident Carter ist 80 Jahre alt und dennoch nicht im Ruhestand: Weltweit setzt er sich für Demokratie ein.

Von Tobias Matern

Eine seiner ersten Amtshandlungen bestand darin, die Heizungen im Weißen Haus zu drosseln. Schließlich wollte er eine sparsamere Energiepolitik einleiten und mit gutem Beispiel vorangehen. Vielleicht war deshalb auch die inzwischen legendäre Strickjacke ein beliebtes Kleidungsstück von Jimmy Carter.

Dieser Mann hat eine Mission: Jimmy Carter. (Foto: Foto: AP)

In ihr hielt er sogar seine erste Fernsehansprache an die Nation. Beliebt machte er sich damit nicht, und auch noch im hohen Alter schlägt dem 39. Präsidenten der Vereinigten Staaten, der am 1. Oktober 1924 in Plains im US-Bundesstaat Georgia zur Welt kam, vielseitige Kritik entgegen. Aber eines würden ihm auch seine ärgsten Gegner nie vorwerfen: Prinzipienlosigkeit.

Bis heute sind die Meinungen über Carter geteilt. Der konservative Autor Steven Hayward nannte ihn "den schwächsten US-Präsidenten des 20. Jahrhunderts", derweil der liberale Biograph Douglas Brinkley seine "Offenheit und Ehrlichkeit" rühmte.

Nicht besonders rosiges Resümee

Auf den ersten Blick liest sich das Resümee seiner Präsidentschaft (1977 bis 1981) nicht besonders rosig: Ölkrise, steigende Inflationsraten, Verhärtung des Ost-West-Konflikts nach dem sowjetischen Einmarsch in Afghanistan und das 444 Tage dauernde Geiseldrama in der US-Botschaft in Teheran.

Dem stehen freilich auch Erfolge gegenüber. Carter erreichte 1979 den historischen Friedensschluss zwischen Israel und Ägypten. Außerdem verhandelte er ein Abkommen über die Aufgabe des Panama-Kanals durch die USA. Doch die Wähler interessierte das wenig: Bei der Abstimmung im November 1980 hatte der frühere Erdnussfarmer keine Chancen gegen den Strahlemann Ronald Reagan.

Die persönliche Erfolgsgeschichte des "besten Ex-Präsidenten" der USA (Time Magazine) begann für den damals 56-Jährigen nach seiner Amtszeit. "Ich war glücklicherweise noch sehr jung, als ich das Weiße Haus verließ", sagt Carter. Er gründete 1982 mit seiner Frau Rosalynn das Carter Center in Atlanta, eine politische Bildungsinstitution. Seitdem fliegt der streng gläubige Christ um die Welt und setzt sich für Demokratie und Menschenrechte ein.

Friedensnobelpreis für sein Friedens-Engagement

Auf eigene Faust unternahm er zahlreiche Anläufe, Konflikte durch Verhandlungen zu lösen. Unter anderem appellierte Carter 1990 an den Weltsicherheitsrat der Vereinten Nationen, den USA den Feldzug gegen Saddam Hussein zur Befreiung Kuwaits zu verweigern. Bosnien, Äthiopien, Haiti, Nordkorea, Sudan - der Südstaatler, der in seiner Freizeit Romane schreibt, ließ auf seinen Friedensmissionen kaum einen Brennpunkt dieser Erde aus. Für seinen unermüdlichen Einsatz erhielt Carter 2002 den Friedensnobelpreis. Nicht wenige deuteten dies als Ohrfeige für die Administration von George W. Bush, die zu diesem Zeitpunkt beharrlich einen Krieg im Irak ansteuerte.

Eine weitere Herzensangelegenheit ist ihm die Abhaltung rechtmäßiger Wahlen weltweit. Zuletzt überwachte er ein Referendum in Venezuela. Zurzeit sieht Carter indes sein eigenes Land gefährdet. In Florida "fehlen einige grundsätzliche Voraussetzungen für eine faire Wahl", schrieb er in der Washington Post und warnte vor "einer Wiederholung der Probleme von 2000". Es ist nicht die erste Breitseite gegen die Republikaner: Auf dem demokratischen Parteitag im Juli in Boston hielt der Ex-Präsident eine der schärfsten Reden gegen Bush. Die letzten Monate, so Carter, "gehörten in vielerlei Hinsicht zu den beunruhigendsten in meinem Leben". Das klingt nicht nach einem Elder Statesman, der sich aufs Altenteil zurückziehen will.

© SZ vom 1.10.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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