Japan:Schwere Niederlage für Premier Abe

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Die japanische Regierungskoalition von Ministerpräsident Shinzo Abe hat bei den Wahlen zum Oberhaus eine schwere Niederlage eingefahren. Trotz der Wahlschlappe schloss Abe einen Rücktritt umgehend aus - und will nun mit einer Kabinettsumbildung Boden gutmachen.

Die Japaner haben ihrem Regierungschef Shinzo Abe am Sonntag einen deftigen Denkzettel verpasst. Nach eindeutigen Hochrechnungen vom Sonntagabend verlor die Koalition aus Abes Liberaldemokratischer Partei (LDP) und der Neuen Komeito ihre bisherige Mehrheit im Oberhaus an die Opposition. Danach scheint die größte Oppositionspartei der Demokraten (DPJ) erstmals die stärkste Partei in der Parlamentskammer zu werden.

Auszählung in Tokio. Schwere Niederlage für Regierungspartei (Foto: Foto: AFP)

Trotz der Wahlschlappe schloss Abe einen Rücktritt umgehend aus. "Der Aufbau der Nation hat gerade erst begonnen. Ich möchte meine Aufgaben als Ministerpräsident erfüllen", erklärte Abe auf einer Pressekonferenz. Er werde den eingeschlagenen Kurs der Bildungs- und Verfassungsreformen weiter fortsetzen. Das Vertrauen der Menschen in das Land und seine Regierung müsse nun wiederhergestellt werden. "Die Lage ist ernst", sagte Abe. Er übernehme die volle Verantwortung für die Niederlage.

Nach der Niederlage der japanischen Regierungskoalition bei der Oberhauswahl will Ministerpräsident Shinzo Abe einem Medienbericht zufolge sein Kabinett umbilden. Möglicherweise werde er den Personalwechsel Ende August bekanntgeben, meldete die Nachrichtenagentur Kyodo.

Die Koalition erhielt Hochrechnungen zufolge 42 Sitze und verlor damit die Mehrheit in der zweiten Kammer des Parlaments, wie der Fernsehsender NHK berichtete. Der Privatsender TV Asahi meldete, die LDP habe lediglich 38 Sitze gewonnen. Um ihre Mehrheit zu verteidigen, hätte die Koalition mindestens 64 Sitze erringen müssen.

Die Demokratische Partei kann als größte Oppositionspartei dagegen auf bis zu 65 Sitze hoffen und wäre damit stärkste Kraft in der Kammer. "Dies zeigt, das die Menschen hohe Erwartungen an uns haben", sagte Yukio Hatoyama von der Demokratischen Partei. Niemand im Volk habe mehr Vertrauen in das Kabinett von Abe.

An den Machtverhältnissen in Japan aber ändert dies zunächst nichts. Denn im mächtigeren Unterhaus hat die LDP selbst ohne ihren Koalitionspartner weiter eine stabile Mehrheit. Eine Bedrohung für Abes Regierung könnte daher nur aus seiner eigenen Partei erwachsen.

Erste Reaktionen aus der LDP hielten sich mit Kritik am Regierungschef zurück. Sollten die offiziellen Ergebnisse mit den Prognosen übereinstimmen, sei es eine "totale Niederlage", sagte LDP-Generalsekretär Hidenao Nakagawa. Er kündigte dennoch an, Abe weiter unterstützen zu wollen. Ein anderes LPD-Mitglied erklärte, die gesamte Partei trage für das Ergebnis die Verantwortung.

Als Abe im September im vergleichsweise jungen Alter von 52 Jahren die Nachfolge des populären Junichiro Koizumi antrat, erntete er frühes Lob für die Verbesserung des unter Koizumi schwer belasteten Verhältnisses zu China und Südkorea. Doch eine Serie von Skandalen um Mitglieder seines Kabinetts, von denen zwei zurücktraten und sich einer das Leben nahm, ließen bald Zweifel an den Führungsqualitäten des stets etwas spröde wirkenden Premiers aufkommen.

Ihm wurde vorgeworfen, bei der Zusammensetzung seiner Mannschaft weniger danach gegangen zu sein, wer am geeignetsten ist. Vielmehr habe er Parteifreunde bevorzugt, die ihm bei der Wahl zum Vorsitzenden der LDP und damit zum Ministerpräsidenten in den Sattel geholfen haben.

Und dann entlud sich über Abe auch noch der Zorn der Bürger über einen unlängst aufgeflogenen Skandal bei der Rentenversicherung: Daten zu Renteneinzahlungen von rund 50 Millionen Versicherten können zur Zeit nicht zugeordnet werden.

Er und seine Partei LDP haben nach Meinung von Beobachtern am Sonntag die Quittung dafür bekommen. Die Frage lautet nun, wie die seit über 50 Jahren fast ununterbrochen regierende Partei damit umgeht.

"Ich glaube nicht, dass er als Ministerpräsident weitermachen kann", sagte ein Politikprofessor der Universität Sophia in Tokio. Die Wahl bestätige die schlimmsten Befürchtungen der LDP. Der Druck auf Abe werde nun sehr stark zunehmen.

Andere Beobachter glauben jedoch nicht, dass Abe von sich aus das Handtuch wirft, dagegen sprechen seine langfristigen Ziele wie die Änderung der Verfassung. Demnach könnte er sich den Denkzettel zu Herzen nehmen und künftig mehr auf die Bedürfnisse des Volkes eingehen. Dass er zu pragmatischem Handeln in der Lage ist, hat er im Umgang mit China gezeigt.

Zwar führt der Verlust der Oberhausmehrheit zu einer Verzögerung der Gesetzgebung. Trotzdem kann die Regierung wichtige Gesetze verabschieden, da vom Oberhaus abgelehnte Gesetzentwürfe vom Unterhaus in zweiter Abstimmung mit Zweidrittelmehrheit in Kraft gesetzt werden können. Zudem dürfte das Regierungslager fortan versuchen, sich bei umstrittenen Gesetzesvorhaben im Oberhaus die Kooperation kleinerer Parteien oder gar von Mitgliedern der größten Oppositionspartei der Demokraten (DPJ) zu sichern. In jedem Fall hat die LDP auch künftig alles in der Hand, solange es nicht zur Spaltung kommt.

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