IWF-Chefin Lagarde:Kaum zu ersetzen

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Die Direktorin des IWF sollte trotz des Verfahrens gegen sie nicht das Amt ruhen lassen.

Von Claus Hulverscheidt

Als der Verwaltungsrat des Internationalen Währungsfonds (IWF) im Februar die Französin Christine Lagarde für weitere fünf Jahre im Amt der Geschäftsführenden Direktorin bestätigte, da hatten im Anschluss alle Beteiligten sichtlich Probleme, ihre Begeisterung über das eigene Tun im Zaum zu halten. Eine "starke und weise" Frau habe man da erwählt, schwärmten die Wahlmänner und -frauen aus aller Herren Länder, die Gewählte selber zeigte sich "entzückt".

Seit Freitag stellt sich die Frage, ob es wirklich so weise war, eine Frau zu küren, der damals schon ein Prozess drohte. Dazu kommt es nun; Lagarde muss sich wegen "Fahrlässigkeit" in Paris vor Gericht verantworten. Sie hatte als Finanzministerin einen Schiedsspruch gebilligt, der dem Geschäftsmann Bernard Tapie gut 400 Millionen Euro Entschädigung aus der Staatskasse einbrachte. Tapie war von der zeitweise staatlichen Großbank Crédit Lyonnais - man muss es wohl so sagen - übers Ohr gehauen worden. Die Umstände der Zahlung sind aber so fragwürdig, dass eine Klärung auch von Lagardes Rolle allemal angemessen ist.

Für den IWF bedeutet der Beschluss, dass seine Chefin monatelang einen erheblichen Teil ihrer Arbeitszeit für ihre Verteidigung wird abknapsen müssen - und das in einer Zeit, da sich dunkle Wolken über der Weltwirtschaft zusammenbrauen. Auch könnte rasch eine Debatte in Gang kommen, wie glaubwürdig eigentlich eine Institution ist, die Regierungen gern zu einer sauberen Haushaltsführung drängt, selbst aber von einer mutmaßlichen Verschwenderin geführt wird.

Damit steht die Frage im Raum, ob Lagarde ihr Amt für die Zeit des Prozesses zumindest ruhen lassen sollte. Trotz aller Einwände - die Antwort lautet: Nein.

Da sind zunächst die Vorwürfe selbst. Der Ex-Ministerin wird vorgehalten, den Spruch der Schiedskommission zugunsten von Tapie einfach durchgewunken zu haben. Auch besteht der Verdacht, dass sie sich dem Druck des damaligen Präsidenten Nicolas Sarkozy beugte. Persönlich bereichert aber, so viel steht fest, hat sie sich nicht. Unter dem Strich ist damit die Unschuldsvermutung höher zu bewerten als der mögliche Reputationsschaden für den Fonds bei einem Schuldspruch.

Dass der Gerichtshof ihr den Prozess macht, ist ein gutes Zeichen

Ohnehin wäre Lagarde als IWF-Direktorin zumindest kurzfristig unersetzlich. Die 60-Jährige ist weit mehr als eine bloße Behördenchefin; sie ist im Herzen immer Politikerin geblieben: Zwar verlangt sie den Mitgliedstaaten Regeltreue ab, kombiniert dies aber mit einer für den Fonds neuen Praxisnähe, Flexibilität und emotionalen Anteilnahme. Auch wenn manche Bürger etwa in Griechenland das nicht glauben oder hören mögen: Ihr einflussreichster, engagiertester und am wenigsten von anderen politischen Zwängen geleiteter Anwalt war in den vergangenen Jahren oft Christine Lagarde.

Dass sich der Gerichtshof die Freiheit nimmt, dieser Frau den Prozess zu machen, ist in Zeiten, da die Justiz vielerorts zum verlängerten Arm der Politik verkommt und weltweit die irrsten Verschwörungstheorien über "die da oben" grassieren, ein gutes Zeichen. Ob die Richter allerdings den richtigen Fall ausgesucht haben, um Unabhängigkeit zu demonstrieren, ist offen, denn die Beweislage gegen Lagarde ist wohl dürftig: Selbst die Staatsanwaltschaft hatte für die Einstellung des Verfahrens plädiert.

© SZ vom 23.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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