Italien:Und täglich grüßt der Untergang

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Eine Serie von Niederlagen bringt die Regierung von Italiens Premier Prodi an den Rand des Abgrunds. Kein Tag vergeht, an dem nicht irgendein Regierungspolitiker seinen Sturz voraussagt oder betreibt. Das Grinsen von Oppositionsführer Silvio Berlusconi wird indes breiter und breiter.

Stefan Ulrich

Die Auftritte Romano Prodis haben etwas Gespenstisches: "Ich bin ganz ruhig", murmelt der italienische Ministerpräsident seit Wochen in die Mikrophone, "ich bin ganz gelassen."

Das klingt nach Autosuggestion - und die hat der Premier nötig. Denn von außen kann er kaum noch auf entspannende Botschaften hoffen. Seine Koalition gleicht einem Tollhaus, in dem die Insassen damit beschäftigt sind, das gemeinsame Dach einzureißen und das Inventar zu plündern. Kein Tag vergeht, an dem nicht irgendein Regierungspolitiker den Sturz Prodis voraussagt oder betreibt.

An diesem Donnerstag nun hat das linke Regierungsbündnis im Senat gleich vier Niederlagen bei Abstimmungen zur Haushaltsgesetzgebung hinnehmen müssen.

Kommentatoren sprachen vom "schwarzen Donnerstag". Die Fraktionschefs sollten noch am Abend darüber entscheiden, ob die Vertrauensfrage gestellt wird. Und das Grinsen von Oppositionsführer Silvio Berlusconi wird breiter und breiter.

Selbst der Kitt der Macht, der die Ein-Dutzend-Parteien-Koalition mangels gemeinsamer Überzeugungen bislang zusammenhielt, scheint jetzt zu zerbröseln. Regierungskräfte von der radikalen Linken bis zur christdemokratischen Mitte lassen keine Gelegenheit mehr aus, Prodi zu schwächen. Beispiele?

Vergangenes Wochenende demonstrierten Kommunisten, Grüne und andere Radikale gegen eine Renten- und Sozialreform der eigenen Regierung, und das, obwohl eine überwältigende Mehrheit der Gewerkschaftsmitglieder gerade für die Reform gestimmt hat. Anfang der Woche befand der kommunistische Parlamentspräsident Fausto Bertinotti, einer der Stützen der Koalition, die Regierung sei krank.

Die letzte Waffe des Premiers könnte bald zum Einsatz kommen

Justizminister Clemente Mastella, Chef einer christdemokratischen Splitterpartei, drohte derweil damit, die Regierung platzen zu lassen, angeblich aus Sorge um den Zustand der Koalition. Tatsächlich ist er sauer, weil die Justiz im kalabrischen Catanzaro wegen Amtsmissbrauchs gegen ihn ermittelt. Den zuständigen Staatsanwalt will Mastella zwangsversetzen lassen. Vom Rest der Koalition erwartet er mehr Solidarität. Am Donnerstag stimmte Mastellas Abgeordneter im Kontrollausschuss für das Staatsfernsehen Rai schon mal mit der Berlusconi-Opposition. Noch ein Schlag für Prodi.

So geht es weiter, Tag für Tag. Die letzte Waffe des Premiers: Er droht, für den Fall seines Sturzes, mit einer Neuwahl. Diese würde wohl haushoch Berlusconi gewinnen, was keiner so recht will. Alle Kräfte, die sowohl Prodi als auch Berlusconi loswerden möchten, bringen daher eine weitere Variante ins Spiel. Eine Übergangsregierung solle erst mal das Wahlrecht reformieren.

Dagegen aber macht Berlusconi mobil. Er hat für den November Proteste der Rechten im ganzen Land gegen die Regierung angekündigt. Gleichzeitig streut er maliziös, er habe schon so viele Senatoren der moderaten Linken zu sich herübergezogen, dass er Prodi bei Belieben stürzen könne. Einen Aufruf von Staatspräsident Giorgio Napolitano, für eine Verfassungsreform mit der Regierung zusammenzuarbeiten, wies Berlusconi brüsk zurück.

Zu ernsthaftem Regieren und Opponieren bleibt bei alldem natürlich keine Zeit - schließlich muss man intrigieren. Die Folge: Das Land fällt zurück. Beispielhaft meldete der Corriere della Sera am Donnerstag, Intercity-Züge zwischen Mailand und Rom bräuchten heute fast eine Stunde länger als vor 20 Jahren. Auch sie laufen offenbar ganz ruhig und gelassen - genauso wie Prodi, der Premier.

© SZ vom 26.10.2007/gba - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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