Italien nach der Wahl:Rückzug ausgeschlossen

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Die Prodi-Koalition hat ein Gesetz über den "Interessenkonflikt" angekündigt, wonach ein Politiker nicht Eigentümer wichtiger Medien sein soll. Also will Berlusconi in der Politik bleiben - um solche Regeln zu verhindern.

Stefan Ulrich

Silvio Berlusconi hat immer mal wieder die Frage aufgeworfen, warum er sich das eigentlich antue: den permanenten Stress als Premier Italiens.

Silvio Berlusconi braucht den Schutz der politischen Macht. (Foto: Foto: dpa)

Wo er es doch so schön hätte als Privatier mit den Früchten seines Reichtums.

Nun, wo er abgewählt ist, könnte er der Versuchung nachgeben und sich seinen Hobbys widmen.

Er dürfte in seiner Villa bei Mailand Liebeslieder schreiben, seinen Kakteengarten auf Sardinien pflegen oder ganz einfach mal Silvio-Bay besuchen, jene ehemalige Pirateninsel, die ihm der Karibikstaat Belize geschenkt hat.

Allein, Berlusconi bleibt der Politik erhalten, wie er unmissverständlich klargemacht hat. Er hat - aus seiner Sicht - auch keine andere Wahl. Der Medienunternehmer ist einst in die Politik gegangen, um sein Fernsehreich vor der Zerschlagung zu schützen und sich selbst vor Strafverfolgung. Aus denselben Motiven muss er nun in der Politik bleiben.

Zöge er sich zurück, könnte es eine künftig regierende Linke allzu leicht haben, Pluralismus beim Privatfernsehen durchzusetzen. Alle drei großen Sender in seiner Hand, damit wäre es dann vielleicht vorbei. Außerdem hat die Prodi-Koalition ein neues Gesetz über den "Interessenkonflikt" angekündigt. Danach soll ein Spitzenpolitiker nicht gleichzeitig Eigentümer wichtiger Medien sein. Solche Regeln aber will Berlusconi verhindern.

Eine große Koalition nach deutschem Vorbild?

Dem Cavaliere droht zudem erneut Ungemach aus Mailand. In der Vergangenheit konnte er Strafverfahren auch dank von Gesetzen abwehren, die er selbst hat gestalten lassen. Doch sein Kampf mit der Rechtsprechung ist noch nicht zu Ende. Die Mailänder Staatsanwaltschaft beantragte im März einen neuen Korruptionsprozess gegen Berlusconi. Ihm wird vorgeworfen, dem britischen Anwalt David Mills 600.000 Dollar für entlastende Aussagen in Wirtschafts-Strafprozessen gegeben zu haben.

Ein Untersuchungsrichter hat die erste Anhörung für Anfang Juni angesetzt. Da erscheint es aus Sicht Berlusconis geboten, sich den Schutz der politischen Macht zu erhalten - und sei es "nur" als Oppositionsführer eines gespaltenen Lands.

Berlusconi wird also vieles daran setzen, weiter ganz oben mitzumischen in der Politik. Seine Strategie hat er gleich nach der Wahl enthüllt: Zunächst einmal erkennt er den Sieg Romano Prodis nicht an und fordert eine Überprüfung der Stimmauszählung. Prodis "Union" liegt bei der Wahl zur Abgeordnetenkammer nur mit etwa 25.000 Stimmen vor Berlusconis "Haus der Freiheiten". Die Bewertung von 43.000 Stimmzetteln ist aber umstritten. Da wittert Berlusconi noch Manövrierraum für einen späten Sieg.

Doch er selber weiß: Die Chancen sind minimal. Also hat er Freund und Feind mit dem Vorschlag überrascht, eine große Koalition nach deutschem Vorbild zu formen. "Wir müssen die Kräfte vereinen und in Eintracht regieren, weil es dem Land nicht gut tut, in einem Klima des Hasses weiterzumachen."

So sicher wie Julis Cäsar in Gesellschaft von Brutus

Das sagt der Mann, der die Wähler der Opposition als "Volldeppen" beschimpft hat. Natürlich wird sich die Linke auf einen Pakt mit Berlusconi nicht einlassen. Doch der Cavaliere kann sich dann, wenn Prodi Schwierigkeiten bei der Regierungsbildung oder beim Regieren bekommt, genüsslich zurücklegen und behaupten: Die Linke hat es nicht anders gewollt.

Zudem hat Berlusconi mit dem Vorstoß erst einmal die Handlungshoheit in der eigenen Rechtskoalition behauptet. Die Rechte trat zwar nach der Wahl geschlossen auf. Doch der Forza-Italia-Führer darf sich im Kreis seiner Partner Gianfranco Fini und Pier Ferdinando Casini in etwa so sicher fühlen wie Julius Cäsar in der Gesellschaft von Brutus.

Fini von der rechtsnationalen Alleanza Nazionale und Casini von der christdemokratischen UDC wären Berlusconi wohl gerne so schnell wie möglich los. Sie lauern auf dessen Erbe.

Etwa zwei Monate dürfte es nun dauern, bis das neue Parlament den neuen Premier wählt. Denn zuvor muss erst noch im Mai ein neuer Staatspräsident erkoren werden. Berlusconi wird in dieser Schwebezeit versuchen, das eigenen Lager zu festigen und das Prodi-Bündnis zu zermürben. Er könnte dafür das ideologische Feuer im Lande weiter schüren und die Konfrontation verschärfen. Scheitert Romano Prodi dann mit seiner winzigen Mehrheit, gäbe es wohl Neuwahlen. Und Silvio Berlusconi würde vielleicht wieder Premier statt Privatier.

© SZ vom 13.04.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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