Israelis fordern mehr Härte:Tage des Sturms

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Viele Israelis halten die Reaktion der Regierung Olmert auf die Entführungen für zu schwach und fordern noch mehr Härte.

Thorsten Schmitz

In Israel brachten die Medien am Mittwoch den ganzen Tag Sondersendungen. Die abermalige Entführung israelischer Soldaten und der darauf folgende Einmarsch der Armee in den Libanon beherrschte die Öffentlichkeit wie kein anderes Thema.

Premierminister Ehud Olmert. (Foto: Foto: AFP)

Wie die neue Eskalation der Gewalt bewertet wird, machten die Überschriften der Sondersendungen unmissverständlich klar, die mit dem Schlagwort "Zwei-Fronten-Krieg" überschrieben waren. Premierminister Ehud Olmert berief das Sicherheitskabinett zu einer Sondersitzung im Verteidigungsministerium ein.

In der Führung der israelischen Armee meldeten sich hochrangige Offiziere zu Wort, die eine heftige Vergeltungsaktion für die neue Entführung forderten.

Aufgestaute Wut

Auch Armee-Chef Dan Halutz ließ jegliche Contenance fallen und drohte: "Falls die Soldaten nicht unversehrt zurückgegeben werden, werden wir die Uhr Libanons um 20 Jahre zurückdrehen." In diesem Satz steckt vermutlich auch viel aufgestaute Wut.

Es heißt, Halutz sei der Ansicht, die Armee gehe im Gaza-Streifen zu zögerlich vor. Verteidigungsminister Amir Peretz befürwortet punktuelle Einsätze im Gaza-Streifen, die er gegenüber einer groß angelegten Invasion vorzieht; diese Taktik unterstützt auch Regierungschef Olmert.

Peretz wie Olmert wollen eigenen Aussagen zufolge das Leben palästinensischer Zivilisten nicht gefährden. Dennoch sind seit dem Einsatz der israelischen Armee im Gaza-Streifen Ende Juni bereits mehr als 70 Palästinenser getötet worden, darunter auch viele Zivilisten.

Ginge es nach Halutz, würde die Armee noch intensiver im Gaza-Streifen nach dem verschleppten Soldaten Gilad Schalit suchen und den Raketenbeschuss zu stoppen versuchen.

Peretz und Olmert dagegen wollen sich gleichzeitig die internationale Staatengemeinschaft wohl gesinnt halten; sie brauchen Unterstützung für den bis zum Jahr 2010 geplanten Teilabzug aus dem Westjordanland.

Schwere Belastungsprobe

Die Entführungen und die Angriffe palästinensischer Terrorgruppen stellen die erst seit wenigen Monaten im Amt befindliche Olmert-Regierung auf eine schwere Belastungsprobe. Bislang hatten die Israelis hinter dem breiten Rücken Scharons Schutz gesucht.

Dessen Entscheidungen wurden aufgrund seiner militärischen Vergangenheit von einem Großteil der israelischen Bevölkerung mitgetragen. Olmert, Peretz und Außenministerin Tzipi Livni dagegen sind Zivilisten und können auf keine militärische Karriere zurückblicken.

Zu ihrem Amtsantritt wurde vor allem von internationalen Medien hervorgehoben, dass eine von Zivilisten dominierte israelische Regierung dem Friedensprozess einen neuen Anstoß geben könne. Doch angesichts der aktuellen Eskalation der Gewalt wird der Ruf lauter, entschlossen und mit allen Mitteln gegen Terroristen vorzugehen.

Der Knesset-Abgeordnete Effi Eitam von der ultra-rechten Partei "Nationale Union" forderte den Rücktritt des Verteidigungsministers. Israel werde durch Entführungen und Raketenangriffe erpresst, das Land müsse "mit harter Hand zurückschlagen". Andere Abgeordnete erklären gegenüber der Tageszeitung in der Jediot Achronot: "Israels derzeitige Schwäche in der Regierung wird von den Terroristen ausgenutzt."

Peretz überfordert

Bei öffentlichen Auftritten kann man an den Gesichtszügen des Verteidigungsministers förmlich ablesen, wie überfordert er ist. Vor der Eskalation wurde ihm noch zugute gehalten, er brauche Zeit, um sich in die Materie einzuarbeiten.

Jetzt wirft man ihm vor, eine Karriere in der Gewerkschaftsbewegung absolviert zu haben, nicht in der Armee. Auch Olmert steckt in einem Dilemma. Er besitzt nicht die Autorität Scharons. Die Kritik in der Koalition an seinem Regierungsstil wird lauter.

Während die Koalitionäre der Arbeitspartei einen Gefangenenaustausch in Erwägung ziehen, ist Olmert zu keinen Konzessionen gegenüber Terroristen bereit. Und obwohl Israels Rückzug aus dem Gaza-Streifen im vergangenen Jahr kein Ende des palästinensischen Terrors gebracht hat, hält Olmert auch in diesen Tagen daran fest, jüdische Siedler aus dem Westjordanland zu evakuieren und ohne Abstimmung mit der Palästinenserregierung die Grenzen zu den Palästinensern festzulegen.

Selbst Außenministerin Livni ist inzwischen offenbar nicht mehr gewillt, Olmerts Regierungsstil bedingungslos zu folgen. Vor zwei Tagen erklärte sie in überraschender Offenheit: "Wir können uns nicht einfach aus dem Westjordanland zurückziehen und den Schlüssel über den Zaun werfen und hoffen, dass es sich damit hat."

© SZ vom 13.7.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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