Israel und Deutschland:Unter Freunden kann Streit nötig sein

Lesezeit: 2 min

Die Beziehungen zwischen Berlin und Tel Aviv sind derzeit nicht besonders gut. Dies liegt an der Politik der rechten Regierung unter Benjamin Netanjahu. Dennoch sollte man die Meinungsunterschiede austragen und sich nicht aus dem Weg gehen.

Von Peter Münch

Nicht der Umgang mit den Gegnern ist die wirkliche Herausforderung für die Diplomatie, sondern der mit den Freunden. Natürlich ist alles einfach, solange man sich parallel zueinander bewegt. Doppelt schwierig aber wird es, wenn der Kurs sich kreuzt. Wie kompliziert die Auseinandersetzung mit dem Partner dann werden kann, zeigt sich gerade in der ohnehin kompliziertesten Beziehungen, welche die deutsche Diplomatie zu pflegen hat: In der Freundschaft zu Israel knirscht es gewaltig, es wächst die Enttäuschung, es wuchert das Misstrauen.

Die Streitpunkte sind nicht neu: Die im Zentrum stehende Auseinandersetzung um den Siedlungsbau ist schließlich ein diplomatischer Dauerbrenner seit Jahrzehnten. Doch während früher noch um eine Annäherung gerungen wurde - entweder mit dem Elan Joschka Fischers oder dem Steinmeierschen Stoizismus -, herrscht nun weitgehende Sprachlosigkeit. Sie resultiert daraus, dass die Bundesregierung zu Recht annimmt, dass die Regierung von Benjamin Netanjahu nicht mehr ernsthaft an einem Friedensprozess mit den Palästinensern interessiert ist.

Die Frage ist nun, wie Deutschland mit dieser Erkenntnis umgehen soll. Eine schlüssige Antwort gibt es darauf noch nicht, nur Indizien, die den Wandel dokumentieren: Außenminister Sigmar Gabriel zum Beispiel hat es überhaupt nicht eilig, zu einem Antrittsbesuch nach Jerusalem zu kommen. Und Bundeskanzlerin Angela Merkel, die nie einen Zweifel an ihrer Verbundenheit mit Israel hat aufkommen lassen, sagte kürzlich die für Mai geplanten jährlichen Regierungskonsultationen ab. Fadenscheinig begründet wurde dies mit Terminschwierigkeiten wegen der Bundestagswahl im September. Für ein Treffen mit dem Palästinenser-Präsidenten Mahmud Abbas allerdings hat die Kanzlerin vorige Woche noch Zeit gefunden in Berlin.

Europa zählt für Netanjahu eher zum Heer der Feindseligen

Dies alles zusammen ist so deutlich, dass man auch in Israel die frostige Botschaft verstanden haben dürfte. Nur sollte niemand erwarten, dass sich daran derzeit irgendjemand stört in den Jerusalemer Regierungskreisen. Dort ist man zwar nicht mehr ganz so beseelt wie in den ersten Tagen nach Donald Trumps Wahlsieg in den USA. Doch immer noch herrscht der Glaube vor, dass Israels Wohl und Wehe höchstens von Washington abhänge. Als einzige Alternative dazu wird die Wagenburg gesehen. Europa jedenfalls zählt für Netanjahu und Co. zumindest propagandistisch schon lange zum Heer der Feindseligen - und es dürfte nicht schwer sein, auch Deutschland dorthin zu verdammen.

Der abschüssige Weg, auf den die deutsch-israelischen Beziehungen geraten sind, birgt also durchaus die Gefahr, dass sie ernsthaft Schaden nehmen. Um das zu verhindern, reicht es nicht, sich aus dem Weg zu gehen oder sich Botschaften über die Bande zuzuspielen - das fördert nur die Entfremdung. Nötig ist vielmehr eine intensive Auseinandersetzung, auch um den Preis einer offenen Konfrontation.

Die besondere Verbindung beider Länder, die noch 2015 zum 50. Jahrestag der Aufnahme diplomatischer Beziehungen wortreich als Wunder gepriesen worden war, wird eine solche Konfrontation aushalten. Denn dies stellt nicht Deutschlands Verantwortung gegenüber Israel in Frage, sondern unterstreicht sie nur.

Diese Verantwortung gilt schließlich dem jüdischen Staat und nicht einer einzelnen Regierung. Wenn der Kurs dieser Regierung wie im Falle der rechten Koalition von Netanjahu als Gefahr wahrgenommen wird, muss die Warnung laut und deutlich sein. Für die deutsche Diplomatie sollte das bedeuten, die Begegnungen mit der israelischen Regierung nicht mehr zu vermeiden oder zu verschieben, sondern im Gegenteil zu suchen. Dieser Freundschaft ist man auch einen Streit schuldig.

© SZ vom 27.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: