Israel:Buh-Rufe für den Regisseur

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Die Angriffe auf Premierminister Ehud Olmert werden bissiger und härter, doch der scheint die Krise aussitzen zu wollen.

Thorsten Schmitz

Zwei Wochen lang hatte Israels Regierungschef Ehud Olmert mit seinen engsten Beratern darüber nachgedacht, wie sich die Versäumnisse im jüngsten Libanon-Krieg benennen ließen, ohne dass dies für ihn und seine Regierung Konsequenzen hätte.

In der Nacht zum Dienstag traf Olmert schließlich die Wahl - und entschied sich für einen Ausweg durch die Hintertür. Er kündigte zwar die Bildung von gleich drei Kommissionen an, die den Libanon-Schlamassel unter die Lupe nehmen sollen. Doch deren Ergebnisse muss Olmert nicht fürchten: Sie sind rechtlich nicht bindend.

Olmert hätte auch eine staatliche Untersuchungskommission bilden lassen können. Eine derartige Kommission hatte den Verlauf des ersten Libanon-Kriegs von 1982 untersucht und letztlich zum Rücktritt des damaligen Verteidigungsministers Ariel Scharon geführt. Staatliche Untersuchungskommissionen können Zeugen vorladen und Ermittlungen einleiten lassen.

"Keine Zeit"

Doch dafür, sagt Olmert, habe seine Regierung "keine Zeit". Sie müsse all ihre Energie auf die Bedrohung aus Iran verwenden und könne es sich nicht leisten, dass ihre Minister gemeinsam mit Rechtsanwälten damit beschäftigt seien, sich vor einer staatlichen Untersuchungskommission weiß zu waschen.

Mit der Bildung der Kommissionen, die im Auftrag jener Regierung den Krieg beleuchten sollen, die von einer Mehrheit der israelischen Bevölkerung für dessen fehlgeschlagenen Verlauf verantwortlich gemacht wird, geht der Premier den Weg des geringsten Widerstands. Ungeachtet ihrer Ergebnisse bleibt Olmert fürs Erste Regierungschef. Obwohl die die Rufe nach Rücktritten von Olmert, Verteidigungsminister Amir Peretz und Armeechef Dan Halutz noch nicht verhallt sind.

Auch in den Medien werden die Kommentare bissiger und empörter. Aber die Lust der israelischen Bevölkerung auf Neuwahlen, nachdem Olmert erst vor einem halben Jahr zum Regierungschef gewählt wurde, ist gering. Olmert bedient sich der Methode des früheren Bundeskanzlers Helmut Kohl: Er will die Probleme aussitzen.

Aus der Umgebung Olmerts heißt es, der Regierungschef setze darauf, dass der öffentliche Unmut über den verlorenen Krieg verebben werde. Gelegen kommt ihm dabei auch die Ende September beginnende Reihe von Feiertagen aus Neujahr, Jom Kippur und Sukkot, in der das politische Leben weitgehend stillsteht.

Drei Kommissionen

Die drei Kommissionen haben unterschiedliche Aufträge. Die erste unter Leitung des früheren Mossad-Geheimdienstchefs Nachum Admoni soll das Verhalten der Regierung während des Kriegs untersuchen. Eine zweite Kommission soll vom Verteidigungsministerium gebildet werden und intern Versäumnisse bei der Art und Weise aufdecken, wie der Krieg geführt worden ist.

Eine dritte Kommission unter Führung des Rechnungshofs soll recherchieren, wie das "Heimatfront-Kommando", das für den Schutz der Zivilbevölkerung verantwortlich ist, gearbeitet hat. Mit einer unabhängigen Untersuchung rechnen weder linke noch rechte Parlamentsabgeordnete.

Jossi Beilin, Vorsitzender der linken Meretz-Partei, bezeichnete die Kommissionen als "Feigenblatt". Olmert habe während des Krieges gezögert und gezaudert und als Regierungschef auf ganzer Linie versagt. Auch aus dem rechten Lager wurden Buh-Rufe laut. Der Vorsitzende der rechten Partei "Nationale Union" bezeichnete die Untersuchungskomitees als "heiße Luft".

Die Zeitung Haaretz kritisierte in einem Kommentar Olmerts Entschluss gegen eine staatliche Kommission als "nationale Farce". Sein Amt werde er nicht bis zum offiziellen Ende der Legislatur in vier Jahren ausüben können. Für diese Annahme spreche "das Fiasko einer großen, fetten, dummen Armee, die ihre Soldaten ohne Essen und mit rostigen Waffen in den Kampf gesandt hat".

© SZ vom 30.8.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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