Islamisten:Kämpfer sollen deutschen Pass verlieren

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Die Innenminister wollen Dschihadisten die Staatsbürgerschaft abnehmen lassen - wenn es denn möglich ist.

Von S. Braun, G. Mascolo, Berlin

Die Innenminister der Länder planen im Kampf gegen sogenannte Dschihadisten offenbar eine weitere Verschärfung der Rechtslage. Nach Informationen von Süddeutscher Zeitung, NDR und WDR wollen sie die Bundesregierung auffordern, ein Gesetz zum Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit auf den Weg zu bringen. Die Regelung soll für alle aus Deutschland stammenden Dschihadisten gelten, die an Kampfhandlungen terroristischer Organisationen teilgenommen haben und neben dem deutschen noch einen zweiten Pass besitzen. Das geht aus den Beschlussvorschlägen für die Innenministerkonferenz hervor, die von Mittwoch bis Freitag in Mainz tagt.

Damit könnten die Innenminister im Kampf gegen gewaltbereite Islamisten ein besonders scharfes Instrument ins Spiel bringen. Nach deutschem wie europäischem Recht gelten für den Entzug der Staatsbürgerschaft sehr hohe Hürden. Sie ist sogar ausgeschlossen, wenn der Betroffene durch einen Entzug staatenlos würde. Ob es tatsächlich zu einer Gesetzesverschärfung kommen wird, ist allerdings offen. Nach den Informationen gibt es in einzelnen Bundesländern, aber auch im Bundesjustizministerium noch erhebliche Bedenken gegen die Pläne. Außerdem gilt in der Innenministerkonferenz das Einstimmigkeitsprinzip. Sollte ein Land den Plan ablehnen, wird es kein neues Gesetz geben.

Basis für die Beschlussvorlage ist ein Bericht des Bundesinnenministeriums. Dieses war von der letzten Innenministerkonferenz im Dezember 2014 gebeten worden, die rechtlichen Rahmenbedingungen für ein Gesetz zu prüfen. Das Ministerium kommt in einem achtseitigen Bericht zu dem Ergebnis, dass ,,nach den verfassungs-, völker- und europarechtlichen Vorgaben die Teilnahme an Kampfhandlungen terroristischer Organisationen in Krisengebieten ein zulässiger Anknüpfungspunkt für einen Staatsangehörigkeitsverlust" sein könnte. Allerdings könne das, wenn überhaupt, nur auf Basis eines Gesetzes geschehen. Außerdem könne die Staatsangehörigkeit nur Personen entzogen werden, die einen weiteren Pass besitzen. Und der Verlust der Staatsangehörigkeit könne nur aufgrund von Handlungen eintreten, die nach Inkrafttreten des Gesetzes verübt worden seien.

Nach derzeitiger Rechtslage führt die Teilnahme an Kampfhandlungen terroristischer Organisationen wie des "Islamischen Staates" in Syrien oder im Irak nicht zum Verlust der Staatsangehörigkeit. Das Gesetz setzt bislang voraus, dass der Betroffene für eine fremde Armee oder "vergleichbare Verbände" kämpft. In beiden Fällen sind Einheiten eines völkerrechtlich anerkannten Staates gemeint. Genau das ist bei den Terrormilizen des IS nicht der Fall. Außerdem weist die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts aus, dass nicht sicherheitspolitische Erwägungen, sondern nur die Abwendung vom deutschen Staat einen Verlust der Staatsangehörigkeit rechtfertigen könnten.

Das Bundesinnenministerium kommt nun zu dem Ergebnis, dass sich angesichts gravierender internationaler Veränderungen mit immer mehr zerfallenden und zerfallenen Staaten auch die Hinwendung zu Terrororganisationen wie dem IS als Abwendung von Deutschland und seinen Grundrechten gewertet werden könne. Die Loyalität des Betreffenden "gehört nicht mehr Deutschland, sondern der terroristischen Organisation, für die er bereit ist, zu kämpfen und unter Umständen sein Leben zu verlieren", heißt es in dem Bericht. Allerdings verweisen die Autoren auch darauf, wie kompliziert die strafrechtliche Verurteilung von Dschihadisten bleibt - und dass es sich derzeit um kaum mehr als ein paar Dutzend Fälle handeln würde.

Der rheinland-pfälzische Innenminister Roger Lewentz (SPD) setzt trotzdem Hoffnungen in die Initiative. So könne der drohende Verlust der Staatsbürgerschaft auf Ausreisewillige eine abschreckende Wirkung haben und eine Art Pendlerbewegung von Dschihadisten zwischen den Kampfgebieten und Deutschland verhindern. Allerdings sei der Verlust der Staatsangehörigkeit "ein hartes Instrument, das, wenn überhaupt, nur nach sorgsamer Abwägung eingesetzt werden darf", so Lewentz. Nach Angaben des Verfassungsschutzes steigt die Gefahr, die von Dschihadisten ausgeht, weiter an. Inzwischen sind gut 700 Islamisten aus Deutschland in Richtung Syrien und Irak ausgereist, darunter 100 Frauen. Rund ein Drittel der Ausgereisten kehrte inzwischen zurück, gut 50 davon haben offenbar direkte Kampferfahrungen gesammelt. Für Verfassungsschützer gilt der Zulauf zum IS als "ungebrochen".

© SZ vom 25.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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