IS-Propaganda:Agentur des Terrors

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Wann ist ein Attentat dem IS zuzuordnen? Mit dem Nachrichtenservice Amaq reklamieren die Dschihadisten vermehrt Gewalttaten für sich - Experten halten dessen Meldungen für weitgehend korrekt.

Von Paul-Anton Krüger und Hakan Tanriverdi, New York/Kairo

Das Bekennervideo nach dem Axt-Attentat von Würzburg warf zunächst mehr Fragen auf, als es beantwortete: War der Mann mit dem Messer wirklich der Täter? Oder versuchte hier der sogenannte Islamische Staat (IS) eine Tat für sich zu reklamieren, die ein verwirrter Einzelner begangen hatte? Inzwischen stufen die Behörden das Video als authentisch ein, geteilt hat es eine Gruppe, die sich Amaq nennt und als IS-nahe Nachrichtenagentur in Szene setzt. "Sie versuchen, neutral aufzutreten, aber für mich ist Amaq zu 100 Prozent dem IS zugehörig", sagt Richard Barrett, der bei der Soufan Group Regierungen und Firmen in Sicherheitsfragen berät. Diese Aussage lässt sich nicht bestätigen, viele Analysten teilen sie aber.

Amaq trat zuerst 2014 während der Kämpfe um die syrische Grenzstadt Kobanê als Medium in Erscheinung und berichtete zunächst in einer eher distanzierten Sprache über den IS. Das hat sich gewandelt, die Gruppe macht sich nun Diktion und Sichtweisen des IS zu eigen. Sprach sie früher unverfänglich von "Angreifern", verwendet sie nun den Begriff "Soldaten des Kalifats" - so wie auch der IS seine Kämpfer in seiner Propaganda bezeichnet. Immer wieder beruft sich die Gruppe auf "Sicherheitsquellen", was mutmaßlich nichts anderes bedeutet, als dass sie Informationen direkt von den Kommandostrukturen des IS erhält, vergleichbar amtlichen Medien in totalitären Staaten.

Noch bei den Anschlägen von Paris im November benutzte der IS zuerst seine traditionellen Propagandakanäle, um sich zu den Taten zu bekennen. Das hat sich gewandelt: "Der IS benutzt in zunehmendem Maße Amaq, um über Angriffe zu berichten, die von IS-Mitgliedern oder -Unterstützern verübt wurden", sagt Michael S. Smith, der die US-Regierung seit Jahren über die Strategie des IS unterrichtet. "Kurz darauf folgt ein ähnlicher Bericht über Al-Bayan, einem Radiosender des IS. Und schließlich werden detaillierte Informationen veröffentlicht." Amaq ist also Teil einer konzertierten Propaganda-Welle des IS.

Für Anschläge hat der IS genaue Regeln erlassen. Wer sie befolgt, gilt als "Soldat des Kalifats"

Unklar ist derzeit, wie Amaq an das Video des Würzburger Attentäters gekommen ist. Smith sagt, dass der IS "die aggressivste und effektivste Rekrutierungs- und Anstiftungskampagne in der Geschichte von Terrorgruppen" führt und im Zuge dessen gezielt Kontakte zu Menschen aufbaut, die er als Unterstützer wahrnimmt. "Diese wissen, wie einfach es sein kann, Videos weiterzuleiten, zum Beispiel über verschlüsselte Plattformen wie Telegram", erklärt Smith. Telegram ist eine von mittlerweile vielen Apps, bei der Nachrichtenstränge vor unbefugtem Zugriff abgesichert sind. Amaq benutzt diese Kanäle, um ihre Botschaften zu verbreiten, dazu verfügt sie über eine selbst programmierte App. Im Internet werden die Botschaften dann tausendfach über soziale Medien von Anhängern weiterverbreitet.

Nach Ansicht der Experten reklamiert der IS jedoch nicht wahllos jede Tat für sich. "Der IS nimmt Angriffe für sich in Anspruch, wenn ein Individuum der Anweisung folgt, wie sie 2014 in Dabiq (ein Magazin, das der IS per Internet verbreitet, Anm. d. Red.) dargelegt wurde", sagt Smith. Attentäter müssen demzufolge vor oder während der Tat bezeugen, dass sie im Sinne des IS handeln. Wie das geschieht, bleibt ihnen überlassen - per Video wie in Würzburg, per Telefon-Anruf bei der Polizei, wie im Fall von Orlando.

Dieses Detail zeigt, dass Attentäter IS-Dokumente gelesen haben und in seinem Sinne handeln. Barrett und Smith betonen, dass der IS sich nur selten fälschlicherweise zu Anschlägen bekannt habe - etwa beim Angriff auf das Bardo-Museum in Tunis, das Analysten eher al-Qaida zuordnen.

© SZ vom 21.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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