Irak-Krieg:Powells fragwürdiges Dossier

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Der US-Außenminister soll den Vereinten Nationen trotz der Warnungen seiner Mitarbeiter falsche Beweise vorgelegt haben.

Von Hans Leyendecker

(SZ vom 31.7.2003) - Auch US-Außenminister Colin Powell gerät jetzt in der Debatte um Beweise für Iraks Massenvernichtungswaffen ins Zwielicht. In seiner Rede vor dem UN-Sicherheitsrat am 5. Februar soll er nach einem Bericht der Financial Times Deutschland (FTD) Tatsachen wissentlich "verbogen" haben.

Obwohl er von Mitarbeitern des Energieministeriums und Angehörigen der Analyseabteilung seines eigenen Ministeriums gewarnt worden sei, habe er behauptet, der Irak habe versucht, spezielle Aluminiumröhren zum Bau von Uranzentrifugen zu importieren. Mit Hilfe dieser Röhren sollten angeblich Rotoren in Zentrifugen eingesetzt werden, in denen Uran angereichert werden konnte.

Keine Beweise für die Beweise

Das angebliche Beweisstück war schon vor dem Vortrag von Powell öffentlich umstritten: Der Chef der Nuklear-Inspektoren, Mohammed el-Baradei, hatte im Januar erklärt, die Röhren seien für die Kurzstreckenrakete Al Samoud fabriziert worden. Die starken Wände der Röhren und ihr spezieller Durchmesser hatten gegen eine Verwendung in der Urananreicherung gesprochen.

Die von der FTD vorgelegen Fakten sind so neu nicht. In der Vergangenheit hatte bereits ehemalige Mitarbeiter des Nachrichtendienstes des Außenministeriums darauf verwiesen, dass die Röhren wegen ihrer besonderen Abmessungen viel eher für Raketen oder Artilleriegeschosse verwendet werden könnten. Powell sei auf die Probleme aufmerksam gemacht worden.

Aus heutiger Sicht hat sich keiner der angeblichen Beweise Powells in der angeblich sorgfältig vorbereiteten Rede vor den UN als richtig herausgestellt. Nach Darstellung Powells besaß der Irak noch einige alte Raketen des Typs Al Hussein mit einer Reichweite von 650 Kilometern und arbeitete an Raketen mit Reichweiten bis zu 1200 Kilometern. Für beide Behauptungen wurden bei den Inspektionen der Spurensucher im Irak nach dem Krieg keine Belege erbracht.

Powell hatte auch behauptet, das Regime in Bagdad verfüge über 100 bis 500 Tonnen Giftstoffe für den Einsatz von Chemiewaffen. Das reiche für 16000 Raketen. Weder wurden bislang Chemiewaffen noch die Raketen gefunden.

Außerdem könne der Irak in einem Monat mehr biologische Kampfstoffe herstellen als insgesamt vor dem Golfkrieg 1991, hatte Powell gesagt. Nach derzeitigem Stand scheint es wahrscheinlich, dass der Irak Anfang der neunziger Jahre sämtliche B-Waffen zerstört und auch nach dem Verschwinden der UN-Inspekteure im Jahr 1998 nicht mit der Produktion von B-Waffen begonnen hat.

Bei seinem Vortrag hatte Powell auch Zeichnungen von angeblichen mobilen Biowaffen-Labors präsentiert, die auf Lastwagen montiert sein sollten. Die wichtigsten Hinweise auf diese Laster hatten die Amerikaner vom Bundesnachrichtendienst (BND) erhalten. Nach dem Irak-Krieg wurden zwei verdächtige Laster gefunden. Nachdem zunächst Experten der US-Behörden erklärt hatten, vermutlich seien in diesen Labors Biowaffen hergestellt worden, rückten später ihre Kollegen von dieser These ab. Auch der verstorbene britische B-Waffen-Experte David Kelly kam bei einem Besuch im Irak zu dem Ergebnis, dass die Laster nicht für die B-Waffen-Herstellung taugten.

Selbst al-Qaida-Verbindung unklar

Einer der wichtigsten Punkte in der Rede von Powell war der Vorwurf, der Irak kooperiere mit der Terrororganisation al-Qaida. So sei der angebliche al-Qaida-Offizier Abu Mussab al-Zarqawi monatelang im Irak gewesen und habe dort ein Netz aufgebaut.

Inzwischen gehen auch die amerikanischen Geheimdienste davon aus, dass Zarqawi lediglich wegen einer Beinoperation im Irak war und kein Netz aufgebaut hat. Mittlerweile ist sogar unklar, ob Zarqawis jordanische Terrorgruppe al-Tawhid der Terrorholding al-Qaida zugeordnet werden kann.

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