Irak:Erzfeind unter Verdacht

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CIA verfolgt Spur nach Bagdad.

Peter Münch

(SZ vom 20.09.2001) - Eine Spur nach Bagdad - darauf hatten wohl viele gewartet in Washington.

Dem Erzfeind Saddam Hussein ist schon manches angelastet und eine Menge nachgewiesen worden, und es hätte nicht einmal seiner hämischen Reaktion bedurft, um ihn nach den Anschlägen auf das World Trade Center und das Pentagon schnell in den Kreis der Verdächtigen aufzunehmen.

Nun scheint die CIA tatsächlich einer konkreten Spur in Richtung Irak zu folgen: Mohammed Atta, der Hamburger Student im Cockpit einer der Anschlagsmaschinen, soll sich nach Angaben aus amerikanischen Regierungskreisen in diesem Jahr in Europa mit einem Mitarbeiter des irakischen Geheimdienstes getroffen haben.

Der Tipp kam aus Europa, mehr ist dazu in Washington nicht zu erfahren. Der frühere CIA-Chef James Woolsey hatte allerdings schon zuvor angemerkt, dass der Verdacht einer Unterstützung durch einen Staat wie den Irak nahe läge.

Ein Generalverdacht gegen Bagdad ergibt sich zudem aus dem jüngsten Terrorismusbericht des amerikanischen Außenministeriums, in dem der Irak auf einer Liste von sieben Staaten steht, die den Terror fördern.

1999 kursierten überdies in US-Medien unter Bezug auf amerikanische Geheimdienstkreise Meldungen, wonach Saddam über Mittelsmännern Osama bin Laden angeboten habe, sein Hauptquartier von Afghanistan nach Bagdad zu verlegen.

Angst vor Vergeltung

Es ist die perfekte Organisation der Anschläge, welche die Vermutung nährt, dass die Taten schwerlich von einem Zelt in den afghanischen Bergen, wohl aber aus der Zentrale eines straff organisierten Geheimdienstes heraus gesteuert werden konnten.

Gegen eine Schlüsselstellung des irakischen Geheimdienstes spräche allerdings, dass Bagdad seit dem Golfkrieg unter so strenger Beobachtung steht, dass ein solcher Plan den Amerikaner wohl kaum verborgen geblieben wäre.

Kontakte zwischen bin Ladens Leuten und dem irakischen Geheimdienst hält Volker Perthes, Nahostexperte der Stiftung Wissenschaft und Politik, zwar für sehr wahrscheinlich.

"Aber zugleich", so sagt er, "gibt es so viel Misstrauen, dass man sich eine echte Kooperation nicht vorstellen kann." Saddam Hussein spiele zwar "mit islamistischen Versatzstücken", habe jedoch anders als der Glaubenskämpfer bin Laden eine klare nationalstaatliche Agenda.

Die beiden seien sich also "ideologisch und strukturell so fremd, dass sie nichts miteinander anfangen können."

Die amerikanische Spurensuche hat jedoch in Bagdad schon enorme Unruhe ausgelöst. Zwar wurde einerseits von Regimemitgliedern und der staatlichen Presse weiter gehöhnt, die USA hätten eine "entscheidende Niederlage im eigenen Land erlitten".

Andererseits aber wächst die klamme Sorge vor amerikanischer Rache. So schrieb Saddam Hussein in einem offenen Brief an die westliche Welt, "die USA klagen an, bevor sie auch nur ein Minimum an Beweisen haben". Er forderte die Amerikaner auf, Zurückhaltung zu üben und "Vernunft" zu beweisen.

Doch das Land ist in Alarmbereitschaft. Gebäude, die als Ziel in Frage kämen, sollen evakuiert worden sein. Der irakische Geheimdienst war auch schon einmal das Ziel amerikanischer Vergeltung geworden.

Am 27.Juni 1993 legten Cruise Missiles das Bagdader Hauptquartier in Schutt und Asche, nachdem ein Mordkomplott gegen den Ex-Präsidenten George Bush aufgedeckt worden war.

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