Interview zum Papst-Testament:"Demut gehört zum guten Stil"

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Sich als unwürdig zu bezeichnen, Rücktrittsgedanken und die Anordnung, all seine schriftlichen Aufzeichnungen zu verbrennen - diese Verfügungen im Testament von Papst Johannes Paul II. überraschen die Öffentlichkeit. Horst Fuhrmann, Professor für Mittelalterliche Geschichte in Regensburg, wundert sich darüber gar nicht.

Interview: Gregor Schiegl

sueddeutsche.de: Im Jahr 2000 hat sich Papst Johannes Paul II. überlegt, ob er nicht zurücktreten soll. Hat er an sich gezweifelt?

Fuhrmann: Da gibt es ein berühmtes Beispiel: Papst Coelestin V. Coelestin war ein ausgesprochen dummer Mensch, ein primitiver Mann aus den Bergen, der kaum Italienisch sprach. Aber er war auch jemand, der in Würde zurückgetreten ist, 1294. Ich denke, dass es Papst Johannes Paul II. auch um diese Frage ging.

sueddeutsche.de: Ist es üblich, als Kirchenführer in aller Demut um Verzeihung zu bitten?

Fuhrmann: Es gehört im Papsttum zum guten Stil, sich als unwürdig zu bezeichnen, wenn man das Amt annimmt, "quam vis indigno", so wie Gregor der Große, der sich in einem Meer der Unwürdigkeit sah: "Ich bin in die Tiefe des Meeres geraten und die Flut verschlingt mich."

Es ist also nichts Besonderes, ungewöhnlich ist allenfalls, dass diese Demutsbezeugung in eine feste schriftliche Form gefasst ist. Andere Päpste haben das mündlich getan.

sueddeutsche.de: Ein Attentat hätte das Pontifikat von Johannes Paul II. beinahe vorzeitig beendet. Der Papst spricht in seinem Testament von einer "göttlichen Vorsehung".

Fuhrmann: Das überrascht mich nicht. Von der göttliche Vorsehung hat er ja bereits zu Lebzeiten gesprochen. Eine der Kugeln, die der Attentäter Ali Agca ihm am 13. Mai 1981 in den Unterbauch schoss, hat er aufgehoben.

Er hat eine große Pilgerfahrt nach Fatima gemacht, wo die Mutter Gottes ebenfalls an einem 13. Mai in einer Höhle erschienen ist. Die Kugel, die ihn beinahe getötet hat, ließ er sogar in die Krone der Statue der Madonna von Fatima einlöten.

Dass er überlebt hat, hat er ganz der Wunderkraft Mariens zugewiesen. Kennen Sie das große M im Wappen von Papst Johannes Paul II.? Das steht für Maria und zeigt seinen starken Marienglauben.

sueddeutsche.de: Papst Johannes Paul II. vererbt nicht nur keine materiellen Güter, er will auch, dass all seine schriftlichen Aufzeichnungen verbrannt werden. Entspricht das auch päpstlichen Gepflogenheiten?

Fuhrmann: Das ist individuell, das kommt hin und wieder vor. Der Roncalli-Papst (Johannes XXIII.) hat Einiges vererbt. Aber da gibt es auch einige Gegenbeispiele. Keine materiellen Güter zu hinterlassen liegt in der Tradition des christlichen Konservativismus.

Materielle Dinge haben Päpste zumeist dann vererbt, wenn sie beispielsweie mit einem Kloster eng verbunden waren, aber das waren dann zumeist auch eher persönliche Dinge. Und dass die persönlichen Schriften verbrannt werden, ist ein Zeichen von Bescheidenheit und Demut. Das haben andere Päpste vor ihm auch schon verfügt.

sueddeutsche.de: Einige Zeit hat der Papst überlegt, ob er in Polen bestattet werden möchte, es dann aber den Kardinälen überlassen.

Fuhrmann: Sie haben sich aber für die Krypta in Rom entschieden. Das war klar. Das ist schließlich der Fußboden Konstantins des Großen, wo auch der am meisten verehrte Papst, Johannes XXIII., liegt.

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