Interview:"Sogar das Prinzenpaar hat vorbeigeschaut"

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Wenn Bürger bestimmen sollen: Hilden im Rheinland hilft den Einwohnern, den Etat zu kapieren - damit sie Ideen entwickeln können.

Interview von Ulrike Nimz

Wohin mit dem Geld? Dass die Verwaltung einer Stadt die Einwohner über die öffentlichen Mittel mitentscheiden lässt - das ist das Wesen des Bürgerhaushalts. In Brasilien erprobt, um Korruption Einhalt zu gebieten, wird das Modell mittlerweile auch in Deutschland geschätzt. Keine Stadt ist länger ohne Pause dabei als Hilden (bei Düsseldorf). Kämmerer Heinrich Klausgrete zieht Bilanz.

SZ: Angenommen, Sie fänden einen Sack voll Geld unter Ihrem Schreibtisch. Was wäre Ihre erste Investition?

Heinrich Klausgrete: Ich würde vermutlich Hildens Schulden tilgen - 15 Millionen Euro. Ein relativ niedriger Schuldenstand und deshalb kein Grund für Weltuntergangsstimmung.

War das die Motivation in Hilden, einen Bürgerhaushalt einzurichten - Haushaltskonsolidierung?

Nicht direkt. Wir haben uns 2002 für ein Pilotprojekt der Bertelsmann Stiftung beworben und entschieden, es weiterzuführen. Im Vordergrund steht die Information der Bürger. Es ist wichtig zu wissen, was in einer Stadt gemacht, gebaut, gezahlt werden soll. Schon in der Gemeindeordnung steht, dass der Haushalt bekannt zu machen ist und Bürger Einwände vorbringen können.

Illustration: Stefan Dimitrov (Foto: Stefan Dimitrov / SZ; dimitrov)

Aber wenn dann im Amtsblatt steht, der Haushalt liegt aus, kommt keiner.

Haushaltsrecht ist schwierig. Unser Plan ist 600 Seiten stark und wenn man ehrlich ist, für Laien kaum lesbar. Man muss sich als Stadt was einfallen lassen, damit die Leute sich nicht verdrossen abwenden, sondern mitreden wollen. Wir haben in einer Turnhalle "Hildopoly" gespielt.

Das müssen Sie erklären.

Ähnlich wie bei "Monopoly" haben sich auf einem improvisierten Spielfeld Hildens Behörden präsentiert: Stadtwerke, Abfallberatung, Jugendamt und viele weitere Einrichtungen. Sogar das Prinzenpaar hat vorbeigeschaut - insgesamt mehr als 500 Menschen, die am Ende wussten, wo in ihrer Stadt das Geld steckt.

Mit bürgerlichem Engagement ist das so eine Sache. Oft verebbt das Interesse. Wie halten Sie die Menschen bei der Stange?

2013 haben wir Busse gechartert und eine Haushaltstour gemacht. Das heißt, wir sind zu Orten gefahren, anhand derer man erklären konnte, wie genau die Verwaltung arbeitet. Das darf ruhig plakativ sein, finde ich. An die Feuerwehrautos haben wir große Preisschilder gehängt. Eine Studie sollte außerdem klären, wo Hilden sparen kann. Die Ergebnisse wurden online zur Diskussion gestellt. Natürlich bitten wir die Bürger auch, uns Vorschläge von Angesicht zu Angesicht zu unterbreiten.

Heinrich Klausgrete ist Kämmerer in Hilden. Das Projekt Bürgerhaushalt begleitete er von Beginn an. (Foto: Olaf Staschik)

Welche Antworten erhalten Sie dann?

Es gibt drei Friedhöfe in Hilden. Das ist ungewöhnlich für eine 55 000-Einwohner-Stadt. So viele Leute sterben einfach nicht. Ein Bürgervorschlag ist, einen davon zu schließen. Breitere Fahrradwege sind immer ein Thema. Und die Busfahrpläne.

Will am Ende nicht jeder nur, dass der eigene Vorgarten schöner wird?

Hildener haben das Gemeinwohl im Blick.

An welcher Stelle hat Hilden denn Bürgerwillen umgesetzt?

Die gelben Säcke werden jetzt alle zwei statt alle vier Wochen abgeholt. Wir haben einen Handreiniger eingestellt, also einen Menschen, der mit einem Besen schwer zugängliche Stellen säubert, bevor die Kehrmaschine kommt. Das mag banal klingen, aber die Bürger-Stadt-Bindung zeigt sich an Kleinigkeiten. Bestenfalls sind Emotionen im Spiel.

© SZ vom 11.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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