Interview mit Renate Künast:"Wir bleiben das Original"

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Der Fraktionsvorsitzenden der Grünen bereitet die neue Öko-Konkurrenz keine Sorgen. Ein Gespräch mit Renate Künast über rückwärtsgewandte Politik, grüne Werte und Angela Merkel.

Robert Roßmann

SZ: Die Vertriebenenpartei BHE saß bis 1957 in der Bundesregierung. Als sie das Vertriebenengesetz durchgesetzt hatte, wurde sie überflüssig und verschwand in der Versenkung. Droht den Grünen jetzt das gleiche Schicksal?

"Unsere Werte sind stabile Werte": Renate Künast von den Grünen. (Foto: Foto: dpa)

Künast: Die Sorge habe ich nun wirklich nicht. Schauen Sie nur in die Umfragen: Wir liegen durchweg bei zehn Prozent - das sind zwei Punkte mehr als bei der Bundestagswahl.

SZ: Liegt das nicht eher am Unmut über die Große Koalition? Sogar die mit sich selbst beschäftigten Linken sind so stark wie Sie.

Künast: Wir liegen ein Prozent über der PDS! Das ist mein Prozent der Hoffnung. Ernsthaft: Die Linken profitieren derzeit von Leihstimmen enttäuschter Sozialdemokraten, die können schnell zusammenschmelzen. Unsere Werte sind dagegen stabile Werte aus eigener Kraft.

SZ: Dass sich inzwischen sogar Union und FDP als Öko-Parteien geben, macht Ihnen also keine Sorgen?

Künast: Das sehe ich ganz gelassen. Zum einen wollten wir ja immer, dass alle erkennen, wie wichtig die Umweltpolitik ist. Zum anderen bleiben wir ja das Original - das wissen auch die Wähler. Außerdem sind wir immer noch die einzige Partei, die in der Umweltpolitik im Zweifel nicht vor Lobby-Interessen zurückschreckt.

SZ: In der öffentlichen Wahrnehmung sind Sie trotzdem in die Defensive geraten. Wie wollen Sie da wieder rauskommen?

Künast: Man darf sich in solchen Situationen nicht irre machen lassen! Natürlich ist Angela Merkels Gesicht allerorten, wenn sie als EU-Ratspräsidentin über den Klimaschutz verhandelt. Aber die Leute nehmen uns Grüne stärker wahr als Sie glauben. Mein Hinweis auf die klimapolitische Vorreiterrolle von Toyota hat doch gezeigt, dass wir noch immer auf den Tisch hauen und damit eine Debatte erzwingen können. Wenn wir es klug anstellen, werden wir nicht von dem grüngetünchten Wohlbehagen der anderen Parteien eingelullt. Die anderen Programme sind doch nur grün angemalt, da ist kein Grün drin.

SZ: Sie müssen also nirgends nachjustieren? Ihr früherer Umweltminister Jürgen Trittin hat unlängst erklärt, aus heutiger Sicht seien die Grünen in der Umweltpolitik nicht radikal genug gewesen.

Künast: Genau über diese Frage haben wir auf unserem letzten Parteitag lange beraten. Wir wollen nicht platt radikal sein, sondern radikal realistisch. Wenn man auf die Bibel rekurriert: Ein Jegliches hat seine Zeit. Wir mussten in der Vergangenheit immer die Speerspitze sein und neue Themen auf die Tagesordnung zwingen. Was wurden wir nicht wegen der ersten Solaranlagen im Wendland belächelt. Mittlerweile sind in dieser Branche 200.000 Arbeitsplätze entstanden. Selbst im rot-grünen Kabinett wurden wir noch von Sozialdemokraten belächelt, wenn wir über erneuerbare Energien oder Biokraftstoffe geredet haben.

SZ: Aber was heißt denn "radikal realistisch sein" konkret?

Künast: Wir wollen noch in diesem Jahr ein neues Energiekonzept vorlegen. Unser Ziel ist eine Gesellschaft, die für ihre Zukunft nach CO2-freien Lösungen sucht. Wir müssen die Art, wie wir Lebensmittel produzieren, wie wir wohnen, wie wir Energie und Wärme herstellen, radikal hinterfragen. Deshalb ist zum Beispiel unser Kampf gegen die bis zu 40 geplanten Kohlekraftwerke so wichtig. Deren Bau würde jede Klimaschutzanstrengung konterkarieren. Außerdem brauchen wir einen ökologischen Stabilitätspakt in der EU und eine ganz anders agierende WTO. Die Welthandelsorganisation ist doch der letzte Hort rückwärtsgewandter Politik aus dem vorigen Jahrhundert.

© SZ vom 31.03.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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