Interview:"Kongo wartet regelrecht auf die UN-Soldaten"

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Die UN wollen eine Eingreiftruppe in die Demokratische Republik Kongo entsenden. Die Staatsministerin im Auswärtigen Amt Kerstin Müller, derzeit in der Region unterwegs, begrüßt die Entscheidung.

Nico Fried

(SZ vom 31.5.2003)

Kindsoldat im Kongo (Foto: dpa)

SZ: Frau Müller, wie stellt sich die Lage in Ituri aus Ihrer Sicht dar?

Müller: Sehr dramatisch. Es hat mehrere hundert Tote gegeben. Etwa 12.000 Flüchtlinge halten sich in Camps am Flughafen und in der Stadt auf. Viele, mindestens 50.000, sind aber auch in den Urwald und in Nachbarregionen geflüchtet. Die internationale Gemeinschaft muss sofort helfen, damit die Gewalt gestoppt wird und die Zivilisten geschützt werden können. Die Eingreiftruppe braucht ein robustes Mandat. Die Menschen warten am Flughafen regelrecht auf ihre Ankunft. Die UN-Soldaten, die jetzt mit einem Mandat präsent sind, das ihnen nicht viel mehr als Selbstverteidigung erlaubt, können kaum noch sich, geschweige denn die Menschen schützen. Sie haben es oft mit Kindersoldaten zu tun, die unter Drogen gesetzt wurden und unberechenbar sind. Zwei UN-Soldaten sind schon ermordet worden.

SZ: Wäre diese Truppe auch von offizieller Seite willkommen?

Müller: Ja, unbedingt. Auch Uganda und Ruanda haben bereits zugestimmt. Man stellt eher die Frage, warum das so lange dauert. Kongos Präsident Kabila hat mir ganz klar gesagt, wenn die Truppe nicht schnell kommt, braucht sie gar nicht mehr zu kommen.

SZ: Was tut die Regierung selbst?

Müller: In Ituri hat sie keinen Einfluss. Man muss sehen, dass der dortige Konflikt nur die Spitze des Eisbergs ist. Der Kongo-Krieg hat seit 1996 schon etwa drei Millionen Menschen das Leben gekostet. Deshalb muss es eine politische Lösung für das ganze Land geben. Dabei geht es zunächst darum, dass die neue Übergangsregierung, an der alle Konfliktparteien beteiligt sein sollen, ins Amt kommt. Leider gestaltet sich das schwierig, weil einzelne Gruppen noch um ihren Teil der Macht ringen. Das ist auch ein Grund für den Konflikt in Ituri. Das ist nicht nur ein ethnischer Konflikt. Die Nachbarn Uganda und Ruanda stehen im Verdacht, einheimische Stämme für einen Stellvertreterkrieg zu instrumentalisieren, bei dem es um Einfluss und Rohstoffe geht.

SZ: Was ist mit der Entwicklungshilfe an Uganda und Ruanda?

Müller: Wir überprüfen diese Zusammenarbeit laufend. Die Regierungen wissen, dass sie auch von ihrem Verhalten in diesem Konflikt abhängt. Generell wäre ich trotzdem vorsichtig, Entwicklungshilfe als Sanktionsmittel einzusetzen. Letztlich trifft es die Falschen. Sehen Sie sich die Projekte an: Da geht es um Aids-Bekämpfung, um Bildung und in Uganda ganz wichtig zum Beispiel um Trinkwasserprojekte. Wenn Sie das einstellen, macht das den Regierungen wenig aus, aber die Bevölkerung könnte massiven Schaden erleiden.

SZ: Hören Sie Klagen, dass Afrika vom Westen vernachlässigt wird?

Müller: Ja. Ugandas Präsident Museveni hat mir soeben vorgeworfen, wenn das, was in Ituri geschieht, in Europa geschähe, hätte man viel schneller reagiert und interveniert. Das ist zwar zu einem Teil richtig. Aber wahr ist auch, dass die Grundlagen für die Problemlösung in Afrika gefunden werden müssen. Das ist auch Thema beim G8-Gipfel in Evian.

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