Internethandel:Pentagon verkaufte Biowaffen-Zubehör

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Fast könnte man meinen, das US-Verteidigungsministerium will in seinem Kampf gegen den Terrorismus dafür sorgen, dass ihm nicht so schnell die Arbeit ausgeht. Zwar wird das Pentagon nicht müde, die Welt vor den Gefahren des Bioterrorismus zu warnen, doch zugleich macht die Behörde es potenziellen Attentätern ziemlich leicht: Bis Mitte vorigen Monats hat sie Material für die Produktion von biologischen Waffen zum Schleuderpreis im Internet angeboten, wie jetzt durch einen Fernsehbericht bekannt wurde.

Von Christina Berndt

(SZ vom 08.10.2003) - Über die Internetseite des Pentagon seien gebrauchte Zentrifugen, Brutkästen für Bakterien, Schutzanzüge und Verdampfer zum freien Verkauf angeboten worden. Das fand die Rechnungsprüfungsbehörde (GAO) des US-Kongresses heraus, die sich im Auftrag eines Unterkomitees des Repräsentantenhauses zur Nationalen Sicherheit als kaufinteressierte Firma getarnt hatte.

So konnte sie für gerade mal 4100Dollar eine Laborausrüstung erstehen, für die das Pentagon ursprünglich 46000 Dollar ausgegeben hatte. Darunter befanden sich 300 bis 400 Schutzanzüge, die bei der Produktion von biologischen Waffen getragen werden müssen.

Mit seinem Internethandel habe das Pentagon den Aufbau eines Biowaffenlabors nicht nur leicht, sondern auch noch billig gemacht, kritisierte die Rechnungsprüfungsbehörde in ihrem Bericht für das Unterkomitee. Dieses hat Vertreter von Pentagon und GAO sowie unabhängige Waffenexperten inzwischen zu einer Anhörung geladen. Solange die Prüfungen laufen, sei der Warenverkauf eingestellt, hieß es.

"Wie eine Anleitung zum Laborbau"

Das Urteil von in Deutschland arbeitenden Fachleuten ist indes bereits einhellig: "Es ist unglaublich, wie so etwas passieren konnte", sagte die Biowaffen-Expertin Kathryn Nixdorff von der Technischen Universität Darmstadt. Zwar seien solche Anzüge und Geräte grundsätzlich auch auf dem freien Markt zu haben.

"Aber es ist mir unverständlich, wie die Regierung einen Internetverkauf beginnen kann, wenn sie gleichzeitig diese ganze Aufregung um potenzielle Terroristen verbreitet und es friedlichen Wissenschaftlern schwer macht, ihr Labormaterial zu bekommen." Das Pentagon wecke dadurch erhebliche Zweifel daran, ob es in der Terrorismusbekämpfung überhaupt Herr der Lage sei.

"Wenn das amerikanische Verteidigungsministerium höchstselbst eine solche Ausrüstung verkauft, ist das fast wie eine Anleitung zum Laborbau", sagt der Biowaffen-Experte Jan van Aken vom Sunshine-Projekt, einer Organisation, die sich für die weltweite Ächtung biologischer und chemischer Waffen einsetzt.

Ein Biowaffenlabor aus kommerziell erhältlichen Materialien

"Denn wenn man solche Geräte vom Pentagon erwirbt, weiß man: Ich habe genau die richtigen Sachen für ein Biowaffen-Labor. Ich muss sie nur wieder in der richtigen Reihenfolge zusammenbauen."

Dass die Vereinigten Staaten im Rahmen ihrer Abwehrforschung viele Komponenten herstellen, die auch für den offensiven Waffenbau taugen, ist seit zwei Jahren bekannt. Unter anderem haben Pentagon-Experten in der Wüste Nevadas ein Biowaffenlabor aus kommerziell erhältlichen Materialien errichtet.

Damals hieß es: Das Projekt zeige, wie leicht Terroristen eine Fabrik bauen könnten, die pfundweise tödliche Keime herstellt - wenn sie nur die Geräte dafür hätten.

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