Innere Sicherheit:Ausflug ins Terroristencamp

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Wer sich von Extremisten ausbilden lässt, kann bislang nicht bestraft werden - das Innenministerium will das ändern.

Annette Ramelsberger

Der 29 Jahre alte Deutsche Tolga D. aus dem schwäbischen Ulm hatte sich Ende 2005 Richtung Ägypten verabschiedet, um einen Arabisch-Sprachkurs zu besuchen. Aufgetaucht ist er eineinhalb Jahre später wieder an der iranisch-pakistanischen Grenze - mit einem Satellitentelefon, mehreren tausend Euro Bargeld und einem falschen Pass. Die pakistanische Polizei nahm ihn unter Terrorverdacht fest. Sie hält ihm vor, in einem Trainingslager der al-Qaida das Terrorhandwerk gelernt zu haben. In zwei Wochen soll Tolga D. an Deutschland ausgeliefert werden. Doch was tun die deutschen Behörden dann mit ihm?

Ausbildung für den heiligen Krieg: Islamische Extremisten trainieren in Pakistan nahe der afghanischen Grenze. Die Aufnahme stammt aus einem Video der indischen Sicherheitsbehörden. (Foto: Foto: AP)

"Für das deutsche Strafrecht ist der Aufenthalt in einem Terrorcamp nichts anderes als ein Abenteuerurlaub", klagt ein Ermittler. "Nur wegen seiner Ausbildung können wir dem nicht ans Leder." Eine Klage, die im Innenministerium in Berlin nicht ungehört bleibt.

Dort wird nun immer drängender gefordert, dass der Strafrechtsparagraph 129 ergänzt wird - so wie das bereits im Koalitionsvertrag von SPD und Union vereinbart war. "Wer nach Pakistan fährt und sich von al-Qaida ausbilden lässt, der gibt damit zu erkennen, dass er selbst terroristisch vorgehen will", sagt Innenstaatssekretär August Hanning im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung. "Das muss unter Strafe gestellt werden."

Das Innenministerium drängt das für den Gesetzentwurf zuständige Justizministerium, endlich ein solches Gesetz vorzulegen. Nicht nur der Aufenthalt in Trainingslagern soll unter den Terrorparagraph 129 fallen. Auch wer sich Sprengstoff und Bombenbauanleitungen besorgt, soll nach Auffassung des Innenministeriums in Zukunft belangt werden können.

Hanning verweist auf einen Fall, der die Grenzen des deutschen Strafrechts deutlich vor Augen führte: So hatte sich im März 2003 der Tunesier Ihsan Garnaoui bereits Sprengstoff, eine Waffe und Bombenbauanleitungen besorgt, um in Berlin eine Bombe zu zünden. Er suchte nur noch Helfer. Doch der Mann konnte nicht wegen der Planung eines Terroranschlags verurteilt werden. Denn der Paragraph 129 sieht vor, dass eine terroristische Vereinigung mindestens drei Leute umfassen und auf Dauer angelegt sein muss. Das Berliner Kammergericht verurteilte ihn am Ende zu drei Jahren und neun Monaten Haft - wegen Steuerhinterziehung und Verstößen gegen das Ausländerrecht.

"Es leuchtet uns nicht ein, dass solche Vorbereitungshandlungen für einen Anschlag nicht strafbar sind", sagt Hanning. Auch die zwei Kofferbomber von Köln könne man nicht aufgrund des Paragraph 129 anklagen - denn sie waren nur zu zweit. "Wir halten die Gesetzeslage hier für dringend änderungsbedürftig."

Allein das Innenministerium sieht im Ministerium von Brigitte Zypries (SPD) die Verzögerer am Werk. "Wir haben bereits im Dezember 2005 konkrete Vorschläge übermittelt, bisher kam nur ein erster informeller Entwurf aus dem Justizministerium. Wenn nicht bald etwas geschieht, wird es knapp, das Gesetz noch in dieser Legislaturperiode zu verabschieden", kritisiert Hanning.

Im Innenministerium glaubt man nicht an gesetzgeberische Probleme im SPD-geführten Justizministerium, sondern an parteipolitische Taktik. Denn auch das Gesetz, wonach schwere Straftäter über die Mautbrücken auf Autobahnen verfolgt werden können, sei fertig, werde aber von Zypries nicht vorgelegt.

Im Justizministerium weist man die Kritik von sich. "Wir schieben hier nichts vor uns her. Das Gesetz zur Änderung des Paragraph 129 wird so bald wie möglich vorgelegt", heißt es dort. Im Justizministerium will man dabei gleich noch ein Abkommen des Europarates in die Gesetzgebung einbeziehen, das Deutschland bereits unterzeichnet hat. Es sieht ebenfalls vor, die Ausbildung in Terrorlagern unter Strafe zu stellen.

Tolga D. aus Ulm muss das allerdings nicht mehr fürchten - allein wegen seines Trainings im Terrorlager kann man ihm nichts anhaben, wenn er zurückkommt.

© SZ vom 30.7.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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