Indiskretion:Quelle unbekannt

Lesezeit: 2 min

Das Verfahren gegen Generalstaatsanwalt Frank Lüttig ist eingestellt. Niemand weiß, wer in Niedersachsen über Wulff und Edathy geplaudert hat.

Von Thomas Hahn, Hannover

Es wird ziemlich viel von den Dächern gepfiffen, das weiß Niedersachsens Justizministerin Antje Niewisch-Lennartz von den Grünen aus Erfahrung. Und sie ist der Meinung, dass nicht alles davon ernst zu nehmen sei, was sie am Montag in der Rechtsausschuss-Sitzung des niedersächsischen Landtags mit dem Satz ausdrückte: "Man sollte Spatzen nicht überbewerten." Niewisch-Lennartz antwortete damit auf den empörten Hinweis der CDU-Vertreter, dass schon am Freitag "die Spatzen von den Dächern gepfiffen" hätten, was erst bei besagter Montagssitzung hätte öffentlich werden sollen: die Nachricht nämlich, dass das Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Göttingen wegen des Anfangsverdachts auf Geheimnisverrat gegen den Generalstaatsanwalt Frank Lüttig aus Celle eingestellt worden ist.

Mit der Anspielung hat die Ministerin Niewisch-Lennartz allerdings nicht sagen wollen, dass es ihr egal sei, wann was von wem aus den Justizbehörden in die Medienlandschaft gerät. Den Verdacht gegen Lüttig, in den Affären um den früheren Bundespräsidenten Christian Wulff und den früheren Bundestagsabgeordneten Sebastian Edathy vertrauliche Informationen nach außen gegeben zu haben, fand sie derart schwerwiegend, dass sie den Landtag und damit die Öffentlichkeit am 20. Februar darüber informierte. Und am Montag wirkte sie nicht so, als sei sie mit der Gesamtsituation sehr zufrieden.

Denn auch wenn die Ermittlungen von Staatsanwalt Torben Asmus "keinen hinreichenden Tatverdacht gegen eine oder mehrere Personen" ergeben haben. Auch wenn Lüttig wieder ins Amt zurückkehrte. Ein Verdacht bleibt. Nach den Ermittlungen ist klar, dass in den Angelegenheiten Wulff und Edathy tatsächlich Amtsträger Geheimnisse verrieten. Mit Verweis auf die Unschuldsvermutung gegenüber Lüttig sprach Asmus von "fünf verschiedenen Personen", die das getan haben könnten. "Wenn wir nicht aufklären können, heißt das nicht, dass die Unschuld bewiesen ist", sagte Stefan Studenroth, Leiter der Staatsanwaltschaft Göttingen. Antje Niewisch-Lennartz sagte: "Leider bleibt offen, wie es zu den Indiskretionen gekommen ist."

In zunächst 21 Fällen hatte die Staatsanwaltschaft Göttingen ermittelt. Daraus ergab sich "der Anfangsverdacht, der Generalstaatsanwalt in Celle könnte in insgesamt 13 Fällen Informationen an die Presse weitergegeben haben, von denen acht Fällen eine strafrechtliche Relevanz zukam". Während die Ermittlungen liefen, war Lüttig krankgeschrieben. Allerdings gewährte er Einlassungen, die laut Staatsanwaltschaft zu "Umständen" beitrugen, "die es teilweise sogar als eher unwahrscheinlich erscheinen lassen, dass Herr Lüttig die Informationen an die Presse weitergegeben hat". Lüttig selbst sagte in einem dpa-Interview, "vage Vermutungen und Spekulationen" hätten den Verdacht ausgelöst.

Die CDU im rot-grün regierten Niedersachsen forderte den Rücktritt der Justizministerin, weil sie den Verdacht zu früh öffentlich gemacht habe. Lüttig sei "unschuldig beschuldigt" worden, sagte Fraktionsgeschäftsführer Jens Nacke. Den Bonner Anwalt Gernot Fritz, der mit seiner Anzeige "wegen des Vorwurfs der Verletzung des Dienst-Geheimnisses" das Verfahren befeuert hatte, beschäftigte dagegen etwas ganz anderes. Keiner weiß, wer aus Niedersachsens Justiz geplaudert hat. "Und die Frage ist", sagt Fritz, "ob man es wirklich wissen möchte."

© SZ vom 02.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: