Indien und Pakistan:Unversöhnliche Atommächte

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Ein Soldat patrouilliert in Srinagar, im indisch kontrollierten Teil Kaschmirs, die Einhaltung einer Ausgangssperre. (Foto: AP)

Nach Terroranschlägen in Kaschmir wird der Ton zwischen Indien und Pakistan schriller. International wächst die Sorge vor einer Eskalation.

Von Arne Perras, Delhi

In Indien steigt der innenpolitische Druck auf Premier Narendra Modi, mit Härte auf den Terroranschlag vom Sonntag zu reagieren, bei dem in Kaschmir 18 indische Soldaten und vier Angreifer starben. In indischen Medien gibt es kaum noch ein anderes Thema, in Dutzenden Fernsehshows diskutieren Militärexperten und Politiker über eine angemessene Antwort auf die Attacke schwer bewaffneter Terroristen, die laut Delhi aus Pakistan stammten. Islamabad weist die Vorwürfe zurück.

In den teils schrillen Debatten im indischen Fernsehen herrschte kein Mangel an Vorschlägen, wie die Inder den Pakistanern nun am besten eine Lektion erteilen könnten. Sie reichten von Ideen, Pakistan das Wasser abzugraben, über Forderungen nach umfassenden wirtschaftlichen Sanktionen bis hin zu Luftschlägen auf mutmaßliche Trainingscamps von Terroristen. Selbst Rufe nach einem Krieg wurden laut. Häufig zu hören war, dass Indien seine Zurückhaltung gegenüber Pakistan aufgeben sollte. Mäßigende Stimmen hielten dem entgegen, dass die Risiken einer Eskalation in einem solchen Falle nur schwer kalkulierbar seien. Der Kolumnist Pratap Bhanu Mehta mahnte im Indian Express: "Pakistan ist ein Staat, in dem Niederlagen zu noch mehr Militarisierung und noch mehr Radikalisierung führen." Die bisherige indische Linie trage dieser Gefahr Rechnung und basiere auf realistischen Einschätzungen der eigenen Fähigkeiten und des Zustands des pakistanischen Staates.

Die indische Regierung hat keine umgehenden Militärschläge gegen Pakistan angeordnet, sondern sagte, man werde den richtigen Zeitpunkt für eine angemessene Bestrafung der Verantwortlichen wählen. Die Spannungen zwischen den beiden südasiatischen Atommächten nahmen im Laufe der Woche weiter zu, nachdem laut indischen Angaben zusätzliche Terroreinheiten aus Pakistan über die so genannte "Line of Control" (LOC) in den indisch kontrollierten Teil Kaschmirs kamen. Bei Feuergefechten entlang der Trennlinie starben elf Extremisten und ein indischer Soldat.

In der diplomatischen Arena zeichnet sich ab, dass Delhi Islamabad zu isolieren versucht. Offenbar wirbt Indien dafür, einen Gipfel der südasiatischen Staaten zu boykottieren, der im November in Pakistan stattfindet. Vom Westen hat Indien nach der Terrorattacke viel rhetorischen Rückhalt bekommen. Allerdings herrscht in Delhi keine Einigkeit darüber, ob dies im Konflikt mit Pakistan viel nützen kann.

International wächst die Sorge vor einer Eskalation zwischen den zwei Rivalen

International wächst die Sorge vor einer weiteren Eskalation zwischen den Rivalen, die beide über große Atomarsenale verfügen. Pakistan hat Rufe nach einer Beschränkung seiner Atomwaffen nach einem Treffen zwischen US-Außenminister John Kerry und Premier Nawaz Sharif in New York zurückgewiesen. Maleeha Lodhi, Pakistans Vertreterin bei den Vereinten Nationen, erklärte, dass die Forderung der USA unerfüllbar sei. Gleichzeitig versuchte sie, die Aufmerksamkeit nach Delhi zu lenken: "Die Welt sollte zuerst die nuklearen Aktivitäten von Indien beenden."

Pakistans Außenminister Aizaz Chaudhry versicherte, kein Land der Welt habe so viel gegen den Terror getan wie Pakistan. Derartige Äußerungen werden in Indien als verlogen gedeutet. Die indische Armee beklagt, dass immer wieder Terroristen aus Pakistan über die LOC in den indisch kontrollierten Teil Kaschmirs einsickerten. Analysten halten es für unwahrscheinlich, dass Kämpfer aus Kaschmir ausreichend ausgerüstet sind, um eine so gut geplante Attacke wie die in Uri auszuführen. Indien behauptet, dass die Waffen und GPS-Geräte keine Zweifel an ihrer pakistanischen Herkunft ließen.

Pakistans Ex-Machthaber Pervez Musharraf wies die von Indien vorgebrachten angeblichen Indizien als bedeutungslos zurück. Solche Ausrüstung könnte man auch bei den Taliban, bei al-Qaida oder "überall in der Welt finden", sagte der frühere General im indischen Fernsehen. Musharraf warnte, dass ein indischer Militärschlag zum Krieg führen könne.

© SZ vom 22.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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