Im Auftrag des IS:Mutmaßliche Terroristen kamen über Balkanroute

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Sie warteten in Schleswig-Holstein auf Terror-Aufträge ihres Scheichs: Bei der Festnahme von drei jungen Männern, die sich als Flüchtlinge tarnten, findet die deutsche Polizei falsche Pässe und Tausende Dollar.

Von Stefan Braun und Annette Ramelsberger, Berlin

Die Sicherheitsbehörden haben am Mittwoch in der Nähe von Hamburg drei junge Männer festgenommen, weil sie fürchteten, diese könnten einen Anschlag in Deutschland verüben. Nach Erkenntnissen der Behörden wurden die drei von der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) als Flüchtlinge getarnt über die Türkei und Griechenland nach Deutschland geschickt. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) sagte in Berlin, es könnte sich bei den Männern um eine "Schläferzelle" gehandelt haben. Er bestätigte, dass enge Verbindungen zwischen den drei Männern und den Attentätern von Paris bestanden. Diese hatten bei Terroranschlägen im November 2015 zahlreiche Menschen getötet. Maizière betonte, alle drei seien mit derselben Schlepperorganisation nach Europa gekommen, und die syrischen Pässe der drei stammten aus derselben Werkstatt wie die Pässe der Paris-Attentäter. Ob es sich bei ihnen wie ausgewiesen tatsächlich um Syrer handelt, können die Ermittlungsbehörden bislang nicht sagen.

Auch gibt es Zweifel am Alter der Festgenommenen. Ein großes Polizeiaufgebot und die GSG 9 nahmen die angeblich erst 17, 18 und 26 Jahre alten Männer am Dienstagmorgen in ihren Unterkünften in Schleswig-Holstein fest. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung haben die Terroristen von Paris und die nun festgenommenen Verdächtigen demselben Scheich des IS ihren Treueeid abgelegt. Scheich Abu Mohammed al-Adnani, der Sprecher der Terrormiliz, ist vor zwei Wochen ums Leben gekommen, vermutlich bei einem Luftangriff gegen den IS. Offensichtlich befürchteten die Behörden, dass die drei ihn durch Attentate rächen und nun bald zuschlagen wollten. Das Bundesamt für Verfassungsschutz hatte das Trio identifiziert und fast neun Monate lang überwacht.

Bundesinnenminister de Maizière betonte allerdings, es habe noch keine konkrete Tatvorbereitung gegeben. Von den Männern sei wegen der intensiven Observation keine unmittelbare Gefahr ausgegangen. An der allgemeinen Lage mit einer hohen Gefährdung für Deutschland habe sich indes nichts geändert.

Die Ermittlungen gegen die drei waren schwierig - gerade weil sie so unauffällig waren. Erst als es einem ausländischen Geheimdienst gelang, die verschlüsselten Internet-Chats des Trios mit ihren Auftraggebern in Syrien zu knacken, konnten die deutschen Ermittler nachvollziehen, dass die drei wirklich vom Islamischen Staat entsandt waren und nach zehn Monaten in Deutschland noch auf ihre Aufträge warteten. Sie standen offenbar bereit.

Die Chat-Protokolle und Mitschriften der Telefonüberwachung könnten einen wichtigen Grundstock der Anklage gegen die Verdächtigen bilden. Es herrschte, so erfuhr die SZ aus Sicherheitskreisen, "reger Kontakt" zwischen den dreien und ihren Auftraggebern. Bei den Männern wurden mehrere Tausend US-Dollar, falsche Pässe und Mobiltelefone gefunden, die einen speziellen Messenger-Dienst installiert hatten.

© SZ vom 14.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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