Illegale Rennen:Strafe für Todesfahrer auf dem Prüfstand

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Der Bundesgerichtshof soll das Kölner Autoraser-Urteil hinterfragen. Reicht eine Strafe auf dem Papier, wenn ein Mensch getötet wird?

Von Wolfgang Janisch, Karlsruhe

In der Auseinandersetzung um illegale Autorennen wird der Bundesgerichtshof (BGH) am 22. Juni darüber entscheiden, ob eine Bewährungsstrafe für zwei junge Männer, die eine 19-jährige Studentin zu Tode gefahren haben, juristisch haltbar ist. An diesem Donnerstag hat der 4. BGH-Strafsenat über die Revision der Staatsanwaltschaft verhandelt, die eine Gefängnisstrafe ohne Bewährung durchsetzen will. Die beiden Angeklagten, damals 21 und 22 Jahre alt, hatten sich im April 2015 in der Kölner Innenstadt eines jener illegalen Autorennen geliefert, die seit einiger Zeit vermehrt auftreten. Am frühen Abend waren sie mit ihren PS-starken Autos über die Mülheimer Brücke gerast, um sich dann an einer Ampel per Blickkontakt auf den Start eines Rennens zu verständigen. Als die Ampel umsprang, jagten sie Stoßstange an Stoßstange in Richtung Rheinterrassen - bis der Vorausfahrende in einer Kurve bei 95 Stundenkilometern (erlaubt waren 50) die Kontrolle über sein Fahrzeug verlor, ins Schleudern kam und die Jugendliche auf dem Radweg erfasste. Die 19-Jährige starb wenig später.

Das Kreuz am Straßenrand in Köln erinnert an den tödlichen Unfall einer Radfahrerin. Die 19-Jährige wurde Opfer eines illegalen Autorennens. (Foto: Oliver Berg/dpa)

Das Urteil des Landgerichts Köln fiel milde aus: Die jungen Männer kamen mit Bewährungsstrafen davon - die Haft wegen fahrlässiger Tötung, zwei Jahre beziehungsweise ein Jahr und neun Monate, stand nur auf dem Papier. Nicht erst seit dem spektakulären Urteil des Landgerichts Berlin vom Februar, das in einem Raserfall auf vorsätzlichen Mord erkannte, ist der Ruf nach höheren Strafen laut geworden. Bundesanwältin Annette Böringer drang in der Karlsruher Verhandlung daher darauf, die Urteile aufzuheben - auch deshalb, weil das Gericht sich nicht ausreichend mit dem "Rechtsempfinden der Bevölkerung" auseinandergesetzt habe. Das Landgericht sei offenbar bestrebt gewesen, die Zwei-Jahres-Grenze nicht zu überschreiten, weil dann eine Aussetzung zur Bewährung nicht mehr möglich gewesen wäre. Aus ihrer Sicht hat das Gericht eher die strafmildernden Umstände gewürdigt und andere Aspekte, die für eine härtere Strafe gesprochen hätten, außer Acht gelassen. Dem Fahrer des zweiten, beim Unfall nicht beschädigten Autos warf sie "Gleichgültigkeit und Rücksichtslosigkeit" vor, weil er sich beim Abtransport des Wagens durch die Polizei besorgt darüber gezeigt habe, dass die teuren Alufelgen beschädigt werden könnten - während das Opfer in der Klinik im Sterben lag.

Ob der BGH sich dazu durchringt, hier ein deutliches Signal zu geben - der Strafrahmen bei fahrlässiger Tötung beträgt fünf Jahre -, ist nach dem Gang der Verhandlung indes fraglich. Die Senatsvorsitzende Beate Sost-Scheible dämpfte die Erwartungen. Erstens gehe es hier nicht um vorsätzliche, sondern allein um fahrlässige Tötung - dieser Teil des Kölner Urteils steht inzwischen fest. Und zweitens: Die Strafzumessung sei die Domäne des Landgerichts. Die Eingriffsmöglichkeiten des BGH seien allein auf die Beanstandung rechtlicher Fehler beschränkt - wenn das Landgericht zum Beispiel wesentliche Aspekte nicht gewürdigt hätte. Das bedeutet: Selbst wenn der BGH die Strafe für zu milde hält, sieht er sich nicht ohne Weiteres dazu befugt, das Urteil aufzuheben.

Denkbar ist aber immerhin, dass der BGH die Aussetzung der Strafen zur Bewährung beanstandet. Das Kölner Urteil könnte in diesem Punkt etwas einseitig zugunsten der Angeklagten ausgefallen sein, fand Sost-Scheible: "Es sind hier nur die positiven Umstände festgestellt", sagte sie an die Adresse der Verteidiger. "Halten Sie das für ausreichend?"

© SZ vom 09.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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