Honorarreform für Ärzte:"Weniger Geld, weniger Arzt"

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Die Ärztewelt ist seit der Honorarreform in Aufruhr. Ein Hausarzt rechnet vor, was unterm Strich übrigbleibt.

Johann Osel

Was bedeuten die neuen finanziellen Regelungen für die niedergelassenen Ärzte? Der Hausarzt Christoph Jaedicke aus dem badischen Emmendingen rechnet vor.

SZ: Was verdienen Sie an Kassenpatienten? Rechnen Sie doch bitte mal vor.

Jaedicke: Ich erhalte eine Pauschale von 35,86 Euro pro Patient und Quartal - für alle Behandlungen ausgenommen Sonderleistungen wie Ultraschall. Ein 35-Euro-Arzt-Abonnement für drei Monate, so viel verlangt ein guter Friseur für einen Haarschnitt. 1500 Kassenpatienten bringen mir etwa 55.000 Euro. 45.000 Euro kostet Personal wie Arzthelferinnen und Putzhilfen, 10.000 Euro Miete und Material für die Praxis. Unterm Strich verdiene ich so gar nichts. Es bleiben mir nur die Einkünfte von Privatpatienten und durch Extraleistungen.

SZ: Wenn etwa ein Patient mit einer schweren Bronchitis zu Ihnen kommt. . .

Jaedicke: . . . dann reichen die 35 Euro im Grunde gerade für die Erstkonsultation. Kommt er noch öfter, weil es nicht besser wird oder zum Beispiel das Antibiotikum nicht anschlägt, zahle ich den Rest aus eigener Tasche. Von Hausbesuchen ganz zu schweigen.

SZ: In einem offenen Brief drohen Sie und Ihre Kollegen, die Leistungen an die Pauschalen anzupassen. Was heißt das?

Jaedicke: Weniger Geld bedeutet dann weniger Arzt. Was nicht bezahlt wird, wird nicht gemacht, etwa Hausbesuche - schlimm in einer ländlichen Region mit vielen Senioren. Ich persönlich spiele mit dem Gedanken, ins Ausland zu gehen. Im Raum steht zudem, ob ich bald Personal entlassen muss. Wir Hausärzte in der Region denken auch über Kurzarbeit nach.

SZ: Könnte in so einem Fall nicht ein Entzug der Zulassung für Sie folgen?

Jaedicke: Natürlich würde man die Versorgung sicherstellen. Doch ob Zulassungsentzug oder Insolvenz - das bleibt für viele gleich. Die Androhung eines Entzugs ist auch insofern irrelevant, weil es einfach nicht genügend Nachfolger gibt.

© SZ vom 10.3.2009/vw - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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