Homo-Ehe:Ehe ohne Grenzen

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Das Urteil lässt Spielraum, homosexuellen Paaren in Zukunft noch mehr Rechte zu gewähren Von Helmut Kerscher

(SZ vom 17.07.2002) - Die Spannung vor der Urteilsverkündung im Bundesverfassungsgericht knisternd zu nennen, wäre stark übertrieben. Zum einen hatte das Lebenspartnerschaftsgesetz seine Karlsruher Feuertaufe fast auf den Tag genau schon vor einem Jahr bestanden, als die gut begründeten Anträge auf eine einstweilige Anordnung gegen das Inkrafttreten mit 5:3 Richterstimmen abgeschmettert worden waren.

Zum andern konnte man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass einige Prozessbeteiligte der bevorstehenden Entscheidung nicht gänzlich uninformiert entgegensahen. Letzteres mag an der Länge der auf die Verhandlung vom 9. April folgenden Beratungszeit des Ersten Senats gelegen haben.

Erfahrungsgemäß sickert im Verlauf von vier Monaten dies und jenes über den "Frontverlauf" durch. Jedenfalls wirkte niemand wirklich überrascht, dass die von Richterin Christiane Hohmann-Dennhardt geprägte Entscheidung erneut 5:3 zu Gunsten des Gesetzes ausging - und dass sich Gerichtspräsident Hans-Jürgen Papier sowie seine Kollegin Evelyn Haas als Gegner zu erkennen gaben.

Eher schon vermochte dann die Unbedingtheit der Befürworter zu verblüffen. So hieß es in einem der vier Leitsätze des 83-seitigen Urteils klipp und klar, der Gesetzgeber sei nicht gehindert, "für die gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaft Rechte und Pflichte vorzusehen, die denen der Ehe gleich oder nahe kommen".

Für die Zukunft hat die Politik also Raum für noch mehr Rechte homosexueller Paare. Genau dies beklagte Papier im markanten letzten Satz seines Dissentings: Die Senatsmehrheit setze "keinerlei Grenzen für eine substanzielle Gleichstellung mit der Ehe". Für ihn ist die Bezeichnung Lebenspartnerschaft ein Etikettenschwindel. Der Gesetzgeber habe, "wenn auch unter anderem Namen", eine Partnerschaft geschaffen, die den Rechten und Pflichten der Ehe entspreche.

Exakt dies bestritt die Mehrheit. Hier gehe es um einen "anderen Adressatenkreis"; die eingetragene Lebenspartnerschaft richte sich an gleichgeschlechtliche Paare und sei deshalb "keine Ehe mit falschem Etikett", sondern ein aliud, etwas Anderes.

Und was wurde aus dem viel diskutierten, von den Klägern mit Verve vorgetragenen "Abstandsgebot", wonach sich die Ehe von anderen Gemeinschaften deutlich unterscheiden müsse? Das Urteil erklärt dazu bündig: Ein solches Abstandsgebot gibt es nicht. Es sei verfassungsrechtlich nicht begründbar, dass andere Lebensgemeinschaften "im Abstand zur Ehe auszugestalten und mit geringeren Rechten zu versehen sind".

Aus der Schutzgarantie des Grundgesetzes für die Ehe folge kein Gebot, andere Lebensformen zu benachteiligen. "Dies verkennt die Richterin Haas", stand auf Seite 58. Diese begründete die besondere Förderung der Ehe mit der darin "potenziell angelegten Elternschaft" und der Bedeutung von Kindern für die Zukunftsfähigkeit von Staat und Gesellschaft.

Für die Mehrheit kam es nicht auf den Abstand an, sondern auf den Schutz der Funktion der Ehe. Der Gesetzgeber dürfe keine Konkurrenz zur Ehe, kein austauschbares Institut anbieten. Allerdings könne er für nichteheliche Lebensgemeinschaften von Mann und Frau sowie für "Einstandsgemeinschaften" etwa von Verwandten eine neue Rechtsform schaffen - wenn eine Austauschbarkeit mit der Ehe vermieden werde.

Die "Eheschließungsfreiheit" von verschiedengeschlechtlichen Paaren sei ohnehin nicht berührt. Sie könnten durch das neue Gesetz nicht von der Ehe abgehalten werden, weil ihnen die Form einer eingetragenen Lebenspartnerschaft ja gerade verschlossen bleibe.

Breiten Raum nahm in dem Urteil eine Frage ein, die einstimmig mit "Ja" beantwortet wurde: Ist das Gesetz verfassungsmäßig zustande gekommen? Sowohl die spätere Korrektur einer offensichtlichen Unrichtigkeit als auch die Aufteilung des Gesetzes in einen zustimmungspflichtigen und einen nicht zustimmungspflichtigen Teil sei in Ordnung.

Letztere entspreche gerade der Kompetenzverteilung des Grundgesetzes. Einerseits wahre die Aufteilung das Recht des Bundestags zur Gesetzgebung, andererseits sichere sie die Zuständigkeit der Länder für eigene Regelungen. Der Weg der Aufteilung sei legitim gewesen, keinesfalls seien verfassungsrechtlich zugewiesene Gewichte zu Lasten der Länder verschoben worden.

Die nach Karlsruhe gekommenen Länderminister Manfred Weiss (München) und Andreas Birkmann (Erfurt) erklärten prompt, was sie zu dem noch offenen "Lebenspartnerschaftsergänzungsgesetz" sagen werden: "Nein".

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