Herkunft:Ganz grob geschätzt

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Syrer, die sich nur als Syrer ausgeben? Meldungen über solche Flüchtlinge gibt es seit Wochen, genaue Zahlen dazu gab es bisher nicht.

Von P. Munzinger und R. Eisenreich, München

Berichte über Flüchtlinge, die sich bei der Einreise nach Deutschland als Syrer ausgeben, obwohl sie keine Syrer sind, gibt es seit Wochen. Nun hat Innenminister Thomas de Maizière (CDU) am Donnerstagabend im ZDF erstmals eine Zahl präsentiert: "Ungefähr 30 Prozent" der Flüchtlinge, die behaupteten aus Syrien zu kommen, stammten in Wahrheit aus einem anderen Land. Ein Sprecher des Ministeriums ergänzte, bei der Zahl handle es sich um einen "groben Schätzwert", basierend auf Wahrnehmungen nationaler und internationaler Behörden.

Nicht einmal Flüchtlingsorganisationen bestreiten, dass es Flüchtlinge etwa aus dem Irak oder Afghanistan gibt, die sich von einer vorgetäuschten syrischen Identität bessere Chancen auf Asyl in Deutschland versprechen. Doch dass jeder dritte angebliche Syrer falsche Angaben über seine Herkunft mache - diese Aussage des Ministers überrascht. Vergangene Woche hatte de Maizière in einem Interview mit dem Tagesspiegel gesagt, es sei nicht zu viel verlangt, "dass jemand korrekt sagt, wie er heißt und woher er kommt, wenn er bei uns Schutz sucht". Um wie viele Flüchtlinge es gehe, sagte er nicht. Auch sein Ministerium gab an, keine "weitergabefähige Zahlen" zu haben.

Das soll nun anders sein - wegen eines groben Schätzwerts? "Wer solche Zahlen in die Welt setzt", sagt Günter Burkhardt, Geschäftsführer von Pro Asyl, "muss auch angeben können, wie er zu dieser Schätzung kommt. Der Minister muss das dringend nachholen."

Zwei Wege sind denkbar, um sich eine falsche syrische Identität zu verschaffen. Die erste: die Einreise ohne Papiere und der Versuch, mit falschen Angaben bei der Registrierung durchzukommen. Das Innenministerium berichtet von Menschen, die eigens die syrische Nationalhymne auswendig lernten. Wie viele Flüchtlinge auf diese Weise versuchen, als Syrer durchzugehen, darüber gibt es keinerlei Angaben. Statistisch wird nicht einmal erfasst, wie viele Flüchtlinge in Deutschland mit oder ohne Papiere ankommen.

Die zweite Möglichkeit ist ein Pass. In der Türkei hat sich nach Informationen der Europäischen Grenzschutzagentur Frontex ein gut organisierter Markt für gefälschte syrische Ausweise herausgebildet. Doch dass im großen Stil Flüchtlinge mit falschen syrischen Papieren nach Deutschland einreisen, lässt sich nicht behaupten - im Gegenteil. Im ersten Halbjahr 2015 hat die Bundespolizei 118 gefälschte syrische Pässe registriert. Im selben Zeitraum stellten mehr als 150 000 Flüchtlinge einen Erstantrag auf Asyl. Besonders aufschlussreich: Benutzt wurden die falschen syrischen Pässe in 100 der 118 Fällen von Syrern, die ihre Ausweise zum Beispiel bei der Flucht verloren hatten.

© SZ vom 26.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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