Haushaltsentwurf 2016:Die Null ist feminin

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Ein Bundeshaushalt, der ohne neue Schulden auskommt und sogar noch die Gleichberechtigung im Blick hat - das stimmt Finanzminister Wolfgang Schäuble richtig fröhlich.

Von Guido Bohsem, Berlin

Wolfgang Schäuble schaut ratlos zu Werner Gatzer. "Gender-Budgeting?" Gatzer nickt. "Ja, wir haben das geprüft" - und setzt an, die Frage ausführlicher zu beantworten. Doch er kommt nicht dazu.

Von vorne: An diesem Mittwoch hat das Kabinett den Haushalt für das kommende Jahr beschlossen. Der Finanzminister und sein Staatssekretär sitzen in der Bundespressekonferenz, um den über 1400 Seiten starken Gesetzesentwurf der Öffentlichkeit vorzustellen. Gatzer ist Schäubles Mann für den Haushalt. Und wenn Schäuble Ende 2016 für sich verbuchen kann, zum dritten Mal in Folge ohne einen Cent Neuverschuldung ausgekommen zu sein, dann ist das auch Gatzers Erfolg.

Vor den Zeiten der schwarzen Null waren diese Auftritte für den Finanzminister immer so etwas wie eine sich jährlich wiederholende Feuertaufe. An der Frage, wie groß die Haushaltslöcher diesmal wieder werden würden, entzündeten sich wochenlange öffentliche Debatten, über das Thema wurden Wahlkämpfe geführt und Untersuchungsausschüsse eingesetzt. Letztere erkundeten, ob wirklich jedes Wort, was der Minister zu einem bestimmten Zeitpunkt über den Haushalt gesagt hatte, der Wahrheit entspracht. Und jetzt? Gender Budgeting!

Finanzminister Wolfgang Schäuble Anfang Juli im Gespräch mit Jens Weidmann, dem Präsidenten der Bundesbank. (Foto: Odd Andersen/AFP)

Deutet man seinen verblüfften Gesichtsausdruck korrekt, hat Schäuble davon noch niemals in seinem Leben etwas gehört. Gatzer sagt also: "Wir haben den Haushalt dahin gehend überprüft, dass er gender-mäßig korrekt ist. Das ist für uns . . ." Und Schäuble sagt: "Halt, was muss ich mir denn jetzt darunter vorstellen?" Gatzer erklärt ihm, dass es darum geht, einen Haushalt so aufzustellen, dass er das Ziel der Gleichstellung der Geschlechter fördert. Man habe diesen Ansatz mehrfach geprüft und verworfen, worauf Schäuble nur sagt: "Ich weise darauf hin, dass in der deutschen Sprache das Wort Ausgaben feminin ist." Aha.

So geht es zu, wenn die Ausgaben den Einnahmen entsprechen und in der Spalte Nettokreditaufnahme eine Null auftaucht. Nach Schäubles Plan soll der Bund im kommenden Jahr 312 Milliarden Euro einnehmen und auch ausgeben. Mit dem Haushalt hat die Bundesregierung an diesem Mittwoch auch die Finanzplanung bis zum Jahr 2019 verabschiedet, und auch da ergibt sich das gleiche Bild - die schwarze Null wird gehalten, auch wenn die Ausgaben bis zum Jahr 2019 auf 333,1 Milliarden Euro ansteigen sollen.

Im gleichen Zeitraum soll auch der Schuldenstand sinken. Zwar wird die Summe von 1,3 Billionen Euro Schulden nicht kleiner. Doch wird eben das Verhältnis dieser Ausgaben zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) deutlich sinken. Im Jahr 2016 soll es erstmals seit Langem unter 70 Prozent und in den folgenden Jahren dann auch unter 60 Prozent liegen, was den Vorgaben des europäischen Stabilitätspaktes entspricht.

Europa? War da was? Nach Schäubles Worten wird an diesem Kurs auch die Griechenlandkrise nichts ändern. Er könne derzeit nicht sagen, wie es dort weitergehe. Eines jedoch sei sicher: "Was immer die Entwicklung sein soll, die Auswirkungen auf den Bundeshaushalt sind beherrschbar." Zwar liegt das Risiko für Deutschland insgesamt bei gut 87 Milliarden Euro. Doch werden die Kredite erst 2020 oder sogar erst 2023 fällig. Auch die Risiken, die sich über das System der Notenbanken ergeben, werden sich laut Schäubles Worten beherrschen lassen.

Er rechne jedenfalls damit, dass die Bundesbank auch im Jahr 2016 einen Überschuss von 2,5 Milliarden Euro an den Bundeshaushalt überweisen werde. Schließlich sei Bundesbank-Präsident Jens Weidmann beim Beschluss des Haushalts im Kabinett dabei gewesen, und der habe nichts Gegenteiliges verlauten lassen. "Für unsere Haushaltsplanung ergeben sich kleine, beherrschbare Risiken", sagt Schäuble. Die gute Lage im Haushalt gebe der Koalition allerlei Spielraum für zusätzliche Ausgaben. So würden Arbeitnehmer und Familien im kommenden Jahr mit fünf Milliarden Euro entlastet, weil die kalte Progression eingedämmt und der Kinderfreibetrag und das Kindergeld erhöht werde. Der Anteil der Entwicklungshilfe am BIP, die ODA-Quote, werde auf mindestens 0,4 Prozent steigen. Das liegt allerdings immer noch deutlich unter den 0,7 Prozent, die international vereinbart worden sind.

Gut 30 Milliarden Euro sollen in Investitionen fließen, in den Bau von Straßen, Schienen, den Ausbau der digitalen Netze, in die Anschaffung von Rüstungsgütern und viele andere Dinge mehr. Bis zum Jahr 2019 sollen auch diese Ausgaben ansteigen, wobei sie von 31,8 Milliarden Euro im Jahr 2018 wieder auf 30,5 Milliarden Euro sinken werden.

Den höchsten Anteil an den Ausgaben machen die Sozialausgaben aus. So steigt der Zuschuss an die Krankenkassen wieder auf 14 Milliarden Euro, 2017 steigt er auf 14,5 Milliarden Euro. Größter Einzelposten im Haushalt bleibt mit Abstand der Zuschuss zur Rentenversicherung Er soll 2016 um 2,3 auf rund 86,6 Milliarden ansteigen und 2019 dann knapp 98 Milliarden Euro betragen.

© SZ vom 02.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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