Hamburg:Schill: Ende des Senats macht mich tief traurig

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Erstmals nach dem Bruch der Hamburger Koalition hat sich Ronald Schill zu Wort gemeldet. Er bedauert das Ende des Bündnisses mit CDU und FDP. Nachdem er in seiner Partei in Ungnade gefallen ist, denkt er über die Gründung einer neuen Partei nach. "Momentan berate ich mit meinen Anhängern. Das sind vor allem tausende Mitglieder."

Die Ereignisse hätten ihn "tief traurig gemacht", sagte Schill der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Schill brachte den Koalitionsbruch mit seinem Rauswurf als Innensenator Mitte August in Zusammenhang.

Schill erneuerte seinen Vorwurf, seine Entlassung sei ein "Komplott" vor allem von Bürgermeister Ole von Beust und seinem Amtsnachfolger Dirk Nockemann (Schill-Partei) gewesen.

Zu den jüngsten Beschlüssen des Bundesvorstandes der Partei Rechtsstaatlicher Offensive wollte er sich nicht äußern: "Ich habe sie zur Kenntnis genommen".

Grüne schließen Koalition mit CDU nicht aus

Die Parteispitze hatte am Dienstag Schill seine Mitgliederrechte entzogen und angekündigt, ein Parteiausschlussverfahren einzuleiten. Zudem hatte das Parteischiedsgericht die Absetzung des Parteigründers als Hamburgs Landesvorsitzender vorläufig bestätigt.

Die Bürgerschaftsfraktion will am Freitag über einen Antrag auf Schills Ausschluss entscheiden.

Bei den übrigen Parteien gibt es Gedankenspiele, wer nach den Neuwahlen mit wem koalieren könnte. "Man soll niemals nie sagen", sagte Fraktionschefin und voraussichtliche Spitzenkandidatin Christa Goetsch der Berliner Zeitung. Grünen-Landeschefin Anja Hajduk räumt aber einem Bündnis mit der SPD Priorität ein. Rot-Grün hätte nach einer ARD-Umfrage eine Mehrheit in der Bürgerschaft.

Der SPD-Spitzenkandidat für die nächste Hamburger Bürgerschaftswahl, Thomas Mirow, will erst im Januar ein mögliches Regierungsteam vorstellen. "Ich habe natürlich die eine oder andere Person im Kopf, aber wir haben ja jetzt noch keine heiße Wahlkampfphase." Eine Koalition mit der Schill-Partei schloss er aus.

Mirow sagte auf die Frage, ob er sich eine große Koalition mit der CDU des amtierenden Bürgermeisters Ole von Beust vorstellen könne: "Wir haben entschieden, ohne Koalitionsaussage in die Wahl zu gehen. Die SPD ist mit allen demokratischen Kräften koalitionsfähig."

Soltau wohl FDP-Spitzenkandidat

In einem Interview des Deutschlandfunks zeigte sich Mirow optimistisch, dass seine Partei als Sieger aus der Neuwahl hervorgeht. Die SPD habe sich in wichtigen Punkten erneuert, über die sich die Menschen in der Hansestadt früher geärgert hätten. "Ich nenne insbesondere die Bereiche Innenpolitik und Bildungspolitik." Außerdem seien die Hamburger nach zwei Jahren CDU/FDP/Schill-Regierung "in vielerlei Beziehung ernüchtert".

Von Beust (CDU) hatte gestern das Ende des Regierungsbündnisses aus CDU, FDP und Schill-Partei verkündet. Die FDP will am Abend Bildungssenator Reinhard Soltau als Spitzenkandidaten nominieren. Die von der Spaltung bedrohte Schill-Partei, die ihren Gründer Ronald Schill nun auch aus der Fraktion ausschließen will, hat bisher kein Treffen anberaumt.

infratest-Umfrage: Mehrheit für Rot-Grün

Die geplatzte Hamburger Mitte-rechts-Koalition hat einer Umfrage zufolge kaum Chancen auf einen Neuanfang: Wie eine Blitzumfrage von infratest-dimap im Auftrag der ARD ergab, würden SPD und Grüne die Mehrheit der Stimmen erreichen, wenn am kommenden Sonntag gewählt würde.

Der Umfrage zufolge würde die CDU bei Neuwahlen zwar kräftig zulegen, die Regierungsmacht aber abgeben müssen: Die CDU würde 40 Prozent der Wählerstimmen erreichen (plus 13,8), die von Schill einst gegründete Partei Rechtsstaatliche Offensive würde mit 5,0 Prozent (minus 14,4) nur knapp den Einzug in die Bürgerschaft schaffen. Die FDP würde mit vier Prozent (minus 1,1) an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern. Damit hätten SPD (35 Prozent, minus 1,5) und Grüne (13 Prozent, plus 4,4) die Mehrheit.

von Beust: Unterm Strich war es eine gute Politik

Die Neuwahlen finden voraussichtlich am 29. Februar statt. Beust sagte am Dienstagabend in der ARD, die Entscheidung, Neuwahlen einzuberufen, sei ihm zwar schwer gefallen, aber sie sei für das Ansehen von Hamburg dringend nötig gewesen.

Im ZDF verteidigte von Beust auch den Zeitpunkt der Aufkündigung der Koalition. Nachdem er Schill im August entlassen habe, sei eine ruhige und entspannte Situation eingetreten, erst in der vergangenen Woche sei die Lage eskaliert. Zuvor habe die Zusammenarbeit mit der Schill-Partei überwiegend gut funktioniert. "Unterm Strich ist es eine gute Politik gewesen", sagte Beust.

Zugleich schloss der Bürgermeister ein erneutes Bündnis mit einer Partei aus, in der Schill Mitglied ist. Ein Bündnis mit der Partei Rechtsstaatliche Offensive ohne Schill schloss von Beust indes nicht aus. Nach Angaben des Bundesvorsitzenden Mario Mettbach will die Partei Schill seine Mitgliedsrechte entziehen. Der Parteiausschluss sei beantragt worden, auch der Fraktionsausschluss stehe bevor.

CDU, Schill-Partei und die FDP hatten am 31.Oktober 2001 einen Mitte-rechts-Senat gebildet und die SPD nach mehr als 40 Jahren an der Regierung der Hansestadt abgelöst. Parteigründer Schill wurde nach sensationellen 19,4 Prozent Wahlergebnis Innensenator.

Danach hatte es aber immer wieder Affären und Personalquerelen gegeben, die im August in Schills Entlassung gipfelten. Am Montagabend hatte Schill auf der Landesvorstandssitzung seiner Partei kaum verhüllt gedroht, dem Haushalt nicht zuzustimmen. Schill nannte seine am Samstag erfolgte Absetzung als Landeschef ungültig, er sehe sich weiter im Amt.

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