Hacker-Angriff auf die USA:Schwerverdauliche Milch

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Kalter Cyberkrieg zwischen China und den USA: Hacker aus dem Reich der Mitte haben Daten eines neuen Kampfflugzeugs erbeutet. Das schadet der Sicherheit der Piloten - und der US-Rüstungsindustrie.

Michael König

Er soll die Allzweckwaffe der amerikanischen Luftstreitkräfte werden, der Brot-und-Butter-Düsenjäger der USA. Etwa 1700 Stück des taktischen Kampfflugzeugs mit der Bezeichnung F-35 will das Verteidigungsministerium anschaffen. Die Kosten für das Projekt: 300 Millarden Dollar. Damit ist es eines der teuersten Rüstungsprojekte der USA aller Zeiten - doch der Stückpreis pro Flugzeug ist vergleichsweise moderat. Außerdem besteht die Hoffnung, einen Exportschlager zu produzieren: Acht weitere Nationen haben sich an der Entwicklung der F-35 Lightning II beteiligt.

Kampfflugzeug "F-35" im Testflug: Das kostspielige Militärprojekt der USA wurde Ziel von Hackern - mutmaßlich aus China. (Foto: Foto: AP)

Vor diesem Hintergrund dürfte die Nachricht, die das Wall Street Journal (WSJ) an diesem Dienstag auf seiner Internetseite veröffentlichte, dem Pentagon Sorgen bereiteten. Demnach haben es Computerhacker geschafft, sich Zugriff auf Server des Pentagons zu verschaffen. Mehrere Terabyte an Daten sollen heruntergeladen worden sein - angeblich hatten sie allesamt mit der Entwicklung des neuen Kampfjets zu tun.

Auch Deutschland war schon im Visier

Laut dem Bericht des WSJ sollen sich Hacker in den vergangenen Monaten auch Zugriff auf ein Luftverkehrs-Kontrollsystem der Air Force verschafft haben. Die Angriffe seien in den vergangenen sechs Monaten immer stärker geworden, sagte ein ehemaliger Beamter des Pentagons der Zeitung: "So etwas hat es noch nie gegeben."

Obwohl die Rückverfolgung derartiger Angriffe schwierig ist, sind die Amerikaner offenbar davon überzeugt, die Täter in China lokalisiert zu haben. Es ist nicht das erste Mal, dass Hacker aus Fernost im Verdacht stehen, die Computer von Regierungsbehörden anzuzapfen: Anfang April waren Schadprogramme in den Netzwerken amerikanischer Stromversorger gefunden worden. Im August 2007 wurde der Verdacht laut, zahlreiche Rechner der deutschen Bundesregierung seien mit Spionagesoftware aus China verseucht worden.

Das Reich der Mitte scheint in einer Disziplin in Führung zu liegen, die "mittlerweile weltweit zum Standardrepertoire von Geheimdiensten gehört", wie der deutsche Militärexperte Otfried Nassauer vom Berliner Informationszentrum für transatlantische Sicherheit sagt. "In fünf bis zehn Jahren werden sich auch die Armeen solche Fähigkeiten angeeignet haben", sagt Nassauer. Im Februar berichtete der Spiegel über eine Sondereinheit der Bundeswehr, die das "Hacken auf Kommando" in einer Kaserne nahe Bonn einübt.

Der Laptop des Handelsministers

Das US-Verteidigungsministerium hat im März einen 66 Seiten starken Bericht veröffentlicht, in dem es um das Reich der Mitte als Militärmacht geht - den wachsenden Ressourcen der chinesischen "Cyber-Kriegsführung" ist ein eigener Abschnitt gewidmet. Darin ist von mutmaßlichen Einbrüchen in "zahlreiche Computersysteme" die Rede - auch in Computer der US-Regierung.

Konkret wird ein Fall aus dem Mai 2008 genannt, bei dem Beamte der Volksrepublik China heimlich den Laptop des amerikanischen Handelsministers untersucht haben sollen, um Zugriff auf weitere Rechner zu erhalten. Als Reaktion auf den Bericht hat die chinesische Botschaft dem Pentagon eine "Mentalität des Kalten Krieges" vorgeworfen.

Um die Online-Verteidigung der USA zu erhöhen, seien während der Amtszeit von US-Präsident George W. Bush Investitionen von 17 Millarden US-Dollar geplant gewesen, schreibt das Wall Street Journal. Bushs Nachfolger Barack Obama sei offenbar dazu bereit, diese Summe noch zu erhöhen.

"Entwicklungshilfe im großen Stil"

Das Pentagon wollte sich zu dem Eindringen der Hacker gegenüber dem WSJ offiziell zunächst nicht äußern. Jetzt haben die US-Regierung und der Rüstungskonzern Lockheed Martin den Medienbericht dementiert. Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums sagte, ihm sei ein solcher Fall nicht bekannt. Der Lockheed-Finanzchef Bruce Tanner erklärte, den Datenklau habe es nicht gegeben.

Den Dieben sei es nach WSJ-Informationen nicht gelungen, die "lebenswichtigen Details" des Flugzeugs zu erbeuten - diese seien auf einem Server ohne direkten Internetanschluss gelagert. Gleichwohl gehen die Insider davon aus, dass das Diebesgut den Chinesen dabei helfen könne, wirksame Waffen gegen die F-35 zu entwickeln.

Das hält auch Militärexperte Nassauer für möglich: "Im für die Amerikaner schlimmsten Fall haben die Hacker Entwicklungshilfe im großen Stil geleistet. Im günstigsten Fall haben sie nur viele Details erbeutet, mit denen niemand etwas anfangen kann", sagte er im Gespräch mit sueddeutsche.de.

In jedem Fall aber gehe der Angriff zu Lasten des Rufes der F-35 - und damit zu Lasten der Wirtschaft: "Dieses Flugzeug ist die Milchkuh des amerikanischen Rüstungsexports für die nächsten 20 bis 30 Jahre", so Nassauer. Nun stehe zu befürchten, dass die Milch schnell sauer werde.

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