Guantanamo-Schließung:Streit um Häftlinge

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Obamas Plan, das Lager Guantanamo zu schließen, stellt Europa vor das Problem: Wohin mit den Insassen? Frankreich hat angeblich ein Konzept, Deutschland streitet erbittert.

Frankreich hat angeblich ein Konzept zur Aufnahme von Guantanamo-Häftlingen in EU-Staaten vorgelegt. Das Fünf-Punkte-Papier sei im Vorfeld des am kommenden Montag in Brüssel geplanten Außenministertreffens an alle EU-Hauptstädte gegangen, berichtete das Nachrichtenmagazin Der Spiegel in seiner aktuellen Ausgabe.

Barack Obama will das Gefangenenlager innerhalb eines Jahres schließen. (Foto: Foto: AP)

Demnach geht es um die Aufnahme von etwa 60 Personen aus dem US-Gefangenenlager, die als unschuldig eingestuft werden, aber nicht in ihre Heimat zurückkehren können, weil ihnen dort Verfolgung und Folter droht. Der neue US-Präsident Barack Obama hatte kurz nach seinem Amtsantritt die Schließung des Lagers auf Kuba binnen eines Jahres angekündigt.

Nach dem französischen Plan soll die Aufnahme "Fall für Fall" und "Land für Land" erfolgen. Jeder Staat solle entscheiden, ob und welche Ex-Häftlinge er nimmt, berichtete der Spiegel unter Berufung auf das Papier.

Paris empfiehlt demnach ein Verfahren, das 2002 bei einer Gruppe militanter Palästinenser erprobt wurde. Die Männer hatten die Geburtskirche in Bethlehem besetzt und wurden von den Israelis als Terroristen aus ihrer Heimat verbannt. Sechs EU-Länder nahmen sie zum Teil auf, nachdem eine europäische Clearingstelle sie auf ihren terroristischen und kriminellen Hintergrund hin überprüft hatte. Um den schwierigen, teilweise traumatisierten Neuankömmlingen helfen zu können, soll die EU nach dem Willen Frankreichs Gelder bereitstellen.

EU-Diplomaten hatten am Freitag in Brüssel berichtet, eine mögliche Aufnahme von Häftlingen aus Guantanamo sei unter den Mitgliedstaaten bisher umstritten. Die EU-Außenminister wollten am Montag zwar über das Thema sprechen, würden aber keine Entscheidungen treffen, hieß es. Es sei auch nicht mit einer gemeinsamen Meinung oder Empfehlung zu rechnen. Auch die Bundesregierung hat sich noch nicht auf eine gemeinsame Haltung in dieser Frage festgelegt.

"Blanker Anti-Amerikanismus"

In Deutschland ist derweil ein Streit um die mögliche Aufnahme von Guantanamo-Häftlingen entbrannt. Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen, Jürgen Trittin, kritisierte Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU), weil dieser die Aufnahme ablehnt. In der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung sagte Trittin: "Das ist blanker Anti-Amerikanismus."

CSU-Generalsekretär Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg griff dagegen Außenminister und SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier wegen dessen Vorstoß zur Aufnahme von Guantanamo-Häftlingen scharf an: "Es wird noch genug Gelegenheiten geben, dass Deutschland um Hilfe gefragt wird. Dann heißt es, berechenbar zu sein", sagte Guttenberg der Passauer Neuen Presse. "Hier zu schreien, wenn einen keiner gerufen hat und dann noch ohne Absprache mit den Innenministern, ist keine seriöse Politik", sagte der CSU-Generalsekretär.

Steinmeier setze die "zynische Außenpolitik" von Ex-Kanzler Gerhard Schröder (SPD) fort, klagte Guttenberg: "Kurnaz hat man hängen lassen und den USA aus innenpolitischen Gründen die kalte Schulter gezeigt". Nun diene sich Steinmeier dem neuen US-Präsidenten an, weil er sich davon innenpolitischen Applaus verspreche.

© AP/AFP/ddp-bay/beu - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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