Guantanamo:Pentagon-Dokumente belegen Verzweiflung von Gefangenen

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Selbstmordgedanken sind im US-Gefängnis auf Kuba offenbar seit langem weit verbreitet. Das berichtet die amerikanische Bürgerrechtsunion (ACLU), der ein 1000-seitiger Pentagon-Bericht vorliegt.

Dokumente des US-Verteidigungsministeriums belegen offenbar, dass Selbstmordgedanken im US-Lager Guantánamo Bay seit langem weit verbreitet sind. Das berichtet die amerikanische Bürgerrechtsunion (ACLU), die den 1000-seitigen Bericht veröffentlicht hat.

Pentagon-Papiere belegen Verzweifulung von Guantanamo-Häftlingen. (Foto: Foto: dpa)

Die Unterlagen seien der jüngste Beweis für den Zustand der Verzweiflung unter den etwa 460 Häftlingen, die zum Teil schon seit über vier Jahren ohne gerichtliche Verfahren in der US-Einrichtung auf Kuba festgehalten werden, sagte ACLU-Direktor Anthony Romero in einer schriftlichen Erklärung.

Die "Ungerechtigkeiten" von Guantánamo müssten aufhören, bevor diese weitere Menschenleben forderten.

Die ACLU bezog sich dabei auf den Tod von drei Gefangenen, die am 10. Juni anscheinend erhängt in ihren Zellen aufgefunden worden waren.

Der Bürgerrechtsunion zufolge geht aus einem der Pentagon-Dokumente, deren Freigabe die Gruppe teilweise per Gericht erzwungen hatte, hervor, dass US-Stellen schon 2002 wussten, dass viele Gefangene an Selbstmord dachten.

Seinerzeit habe ein Häftling in einem Interview angegeben, dass sich 40 bis 50 Gefangene nach Ende des Fastenmonats Ramadan umbringen wollten, weil sie keine Hoffnung auf Freilassung hätten und nicht mehr länger von Wärtern misshandelt werden wollten.

"Häufige Gedanken über den Tod"

In den Dokumenten ist den Angaben zufolge auch ein Ärztebericht vom April 2003 enthalten, in dem über einen Selbstmordversuch eines Häftlings berichtet wird.

Dieser hatte bei dem Versuch, sich mit einem Handtuch zu erhängen, so schwere Schäden an seinem Stammhirn erlitten, dass er in ein geistiges Siechtum verfiel.

An anderer Stelle wird von einem Gefangenen berichtet, der sein Testament habe niederlegen wollen: "Er macht sich in letzter Zeit häufiger Gedanken über den Tod."

Es sei erstaunlich, dass die US-Regierung angesichts der offensichtlichen Verzweiflung der Gefangenen die Selbsmorde vom 10. Juni immer noch als "Kriegsakte" bezeichne, erklärte ein ACLU-Vertreter.

Nach dem Selbstmord der drei Gefangenen hatten europäische Regierung und Menschenrechtler erneut die Schließung des Lagers gefordert, in dem rund 460 Gefangene seit Anfang 2002 ohne Prozess festgehalten werden.

Die Situation in Guantánamo dürfte zu den strittigen Themen auf der Europa-Reise von US-Präsident George W. Bush gehören, die am Dienstag in Wien beginnt.

Islam verbietet Selbstmorde

Die saudiarabischen Behörden hatten am Samstag eine Autopsie ihrer beiden im US-Gefangenenlager Guantánamo gestorbenen Staatsbürger angeordnet. Der Cousin des einen Häftlings erklärte, die Angehörigen hätten erhebliche Zweifel an den Pentagon-Angaben, wonach die beiden saudiarabischen sowie ein jemenitischer Gefangener am 10. Juni Selbstmord begangen haben.

Sein Cousin sei ein "gläubiger Moslem" gewesen, versicherte Nahes el Otaibi; der Islam verbietet aber Selbstmorde. Nach seinen Angaben wurden die Leichen in der Nacht nach Saudi-Arabien überführt. Die Familien hätten sie kurz nach ihrer Ankunft am Morgen sehen können.

Nach Angaben eines jemenitischen Anwalts fordern auch die Angehörigen des dritten Selbstmörders eine Untersuchung über die genaue Todesursache.

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