Große Koalition:Der Dalai Lama und die Kittelschürzen

Lesezeit: 2 min

Warum sich Außenminister Steinmeier manchmal so bemüht, einen Dissens mit der Kanzlerin aufzuzeigen.

Kurt Kister

Manchmal hat man das Gefühl, die Große Koalition laste schon viel länger als zwei Jahre auf dem Land. Das hat auch damit zu tun, dass Rot-Grün so schnell verweht ist samt jener hyperventilierenden "Berliner Republik", die immer einen Tisch im Borchardt hatte und irgendwo zwischen Sabine Christiansen und Schröders Cohibas angesiedelt war.

Weniger Diplomatie und mehr Parteipolitik muss Steinmeier als Vizekanzler betreiben (Foto: Foto: ddp)

Im Vergleich dazu regieren jetzt die Kittelschürzen, was nichts mit dem Geschlecht der Kanzlerin zu tun hat. Nein, es ist bieder geworden, weil die Koalition nur Trippelpolitik macht, die weder die Anhänger der Union noch jene der SPD erfreut. Die Konsens-Sauce lässt alle Politik ähnlich schmecken, und wenn es einmal Streit gibt, dann wirkt es, als habe einer mutwillig Glutamat, also Geschmacksverstärker, ausgestreut.

Beispiel China. Die Kanzlerin hat den Dalai Lama empfangen, und man fragt sich, wer dies schlimmer findet: das Regime in Peking oder Merkels Außenminister Steinmeier. Letzterer schimpfte über die "Schaufensterpolitik" der Kanzlerin, was auch pikant ist, weil Steinmeier seinerzeit engster Zuarbeiter des außenpolitischen Chefdekorateurs Schröder war. Anders als Schröder ist Merkel nicht für eine Aufhebung des Waffenembargos gegen China.

Aber Schröders Außenminister Fischer empfing den Dalai Lama dreimal im Auswärtigen Amt, zuletzt 2004. Man erinnert sich nicht daran, dass der damalige Kanzleramtschef Steinmeier dem Außenminister Fischer "Schaufensterpolitik" vorgeworfen hätte.

Außenpolitik, dies sollte Steinmeier nach zwei Jahren Lehrzeit nun wissen, muss manchmal sogar Schaufensterpolitik sein. Es geht gelegentlich darum, einen Standpunkt ebenso symbolisch wie öffentlich einzunehmen. Peking hat Tibet blutig unterworfen und versucht seit Jahrzehnten, es politisch und kulturell zu kolonisieren.

Man kann darauf mit dem diplomatischen Ansatz reagieren, der die Eigenheiten Chinas berücksichtigt, leider manchmal bis an den Rand des Appeasements. Man kann es auch, ohne dauernd Krawall zu schlagen, anders machen und zum Beispiel mit dem Dalai Lama reden - so wie Merkel und Fischer es getan haben, übrigens auch George Bush und Papst Johannes Paul II.

Im Auswärtigen Amt bevorzugt man die effiziente Zurückhaltung. Dem hat sich Steinmeier, sozialisiert von seiner neuen Umgebung, angeschlossen. Er war auch früher kein Mann des offenen Konfliktes, obwohl er im kleinen Kreis bissig sein kann - wenn er nicht gerade wieder versucht, wie eine Volksausgabe von Thomas Mann zu formulieren.

In seiner neuen Funktion als Vizekanzler und offizielles Gegengewicht zu Merkel muss Steinmeier den Diplomaten hie und da zugunsten des Parteipolitikers hintanstellen. Das fällt ihm schwer, weil er eigentlich kein Parteipolitiker ist. Attackiert er Merkel zudem auf dem Gebiet der Außenpolitik, ist das misslich, weil die Kanzlerin in der Außenpolitik oft eine so gute Figur macht, dass die Frage entsteht: Was treibt eigentlich dieser Steinmeier?

© SZ vom 22.11.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: