Große Koalition:Atomkraft als Spaltmaterial

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SPD und Union streiten über einen Teil des Koalitionsvertrags. Die CSU will einen möglichen Kurswechsel in der Atompolitik bereits auf der Klausur des Bundeskabinetts in der nächsten Woche zur Debatte stellen. Die SPD lehnt es ab, das Thema Atomkraft wegen des Gasstreits neu zu diskutieren.

Peter Fahrenholz und Nico Fried

Der bayerische Ministerpräsident und CSU-Chef Edmund Stoiber sagte zum Auftakt der Klausurtagung der Landesgruppe in Wildbad Kreuth, in der Vergangenheit sei die Unabhängigkeit und Sicherheit der Energieversorgung "zu gering bewertet" worden.

Es müsse deshalb "bereits auf der Kabinettsklausur" mit der SPD erörtert werden, "ob es angebracht ist, die sichersten Kernkraftwerke bereits in dieser Legislaturperiode abzuschalten". Einen eigenen Vorstoß im Bundesrat in dieser Richtung plant Stoiber aber nicht. Er wolle erst einmal die Gespräche mit der SPD abwarten, sagte der Ministerpräsident der Süddeutschen Zeitung.

Auch Wirtschaftsminister Michael Glos bekräftigte seinen Vorstoß für längere Laufzeiten der deutschen Atomkraftwerke. Die Frage einer sicheren Energieversorgung werde "eines der Themen des Jahres werden", sagte Glos in Kreuth. Darüber müsse man mit der SPD ungeachtet der Vereinbarungen im Koalitionsvertrag "fair reden". Glos fügte hinzu: "Der Koalitionsvertrag ist das eine, die Zusammenarbeit über eine längere Wegstrecke das andere."

SPD-Energiepolitiker lehnten es ab, das Thema Atomkraft wegen des Gasstreits neu zu diskutieren. Der parlamentarische Staatssekretär im Bundesumweltministerium, Michael Müller, und SPD-Vize-Fraktionschef Ulrich Kelber nannten den Vorstoß von Glos unsinnig. "Die Atomenergie ist da keine Lösung, auch nicht die Verlängerung der Laufzeiten von AKWs", erklärte Müller. Der Ausstieg aus dieser Energieform sei keine ideologische Willkür, sondern ein notwendiger Schritt in eine sichere und nachhaltige Verbindung von Ökologie und Ökonomie.

Kelber sagte im Südwestrundfunk: "Es ist nicht nur entschieden, dass der Ausstieg weitergeht, es macht auch Sinn, diesen Weg zu gehen, weil natürlich die Frage der Gaslieferungen mit der Atomenergie überhaupt nichts zu tun hat." Der durch Atomkraft erzeugte Strom werde nicht zum Heizen eingesetzt und sei daher kein Ersatz für Gas. Atomkraft mache auch nicht unabhängiger vom Ausland, da auch Uran als Rohstoff für die Reaktoren importiert werden müsse.

Glos hatte schon am Montag als Reaktion auf den Gasstreit zwischen Russland und der Ukraine den Atomausstieg in Frage gestellt. Man müsse "noch mal ganz neu überlegen", wie man eine Abhängigkeit bei der Energieversorgung vermeiden könne, hatte der CSU-Politiker gesagt und dabei ausdrücklich auf die deutschen Kernkraftwerke verwiesen.

Im Koalitionsvertrag hatten Union und SPD festgeschrieben, dass sie die getroffenen Regelungen zum Ausstieg aus der Kernenergie "trotz "unterschiedlicher Auffassungen" nicht ändern werden. Auch die stellvertretende Unions-Fraktionschefin Katherina Reiche (CDU) hält den vereinbarten Atomausstieg noch nicht für das letzte Wort.

"Einen kompletten Ausstieg aus der Kernenergie können wir uns nicht leisten", sagte die Umweltpolitikerin am Dienstag in einem Interview der dpa. "Die erneuerbaren Energien sind noch nicht auf dem Stand der traditionellen Energien und noch nicht so wirtschaftlich." Reiche sprach sich für eine Verlängerung der Restlaufzeiten für Atommeiler aus.

© SZ vom 4.1.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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